Der Rahmenkünstler von der Landstraße
Von Cordula Puchwein
Gerhard Wohlleb ist ein bunter Vogel. Auch Tüftler, Erfinder, Kunstsammler, Philosoph. „Anthroposoph!“ Darauf legt er wert. Kurz: Dieser Mann ist herrlich unkonventionell – im Denken wie im Aussehen. Und: Wohlleb ist Rahmenmacher. Einer, der selbst in keinen zu passen scheint. Einer, der aus dem Rahmen fällt und sich doch zeitlebens intensiv damit beschäftigt hat. Wohlleb liebt Wortspiele wie diese, „wenngleich es den Terminus ,Rahmen’ im Plural nicht gibt. Und doch hat er etliche differenzierte Bedeutungen in der Aussage“, sagt Wohlleb beim Rundgang durch sein privates wie berufliches Reich.
Wohlleb. In Künstlerkreisen ist das ein wohlklingender Namen. Das Gros österreichischer Kunstschaffender – von Attersee bis Stransky, von Hundertwasser bis Franz West –, gleichwohl heimische Top-Museen, wie die österreichische Galerie Belvedere, für die Wohlleb jüngst die Bilder zur Ausstellung „Stadt der Frauen“ gerahmt hat, haben ihre Werke nicht nur einmal in die Hände des Wieners gegeben. Die Rahmenhandlung im dritten Bezirk ist gewissermaßen das Mekka für alle, die Bildern eine entsprechende Fassung verleihen möchten. Vom einfachen, preiswerten Fotorahmen bis zur Einzelanfertigung. Fotografien, Tuschzeichnungen, Aquarellen, Ölgemälden, auch filigranen, botanischen Objekten wie Blumen, Blätter bis hin Feinstofflichem wie kostbaren Papyri, selbst Stofffragmenten wird hier Schutz und Ausdruck verliehen.
Tradition mit Façon
Darauf versteht man sich bei Wohlleb seit Generationen. Das Geschäft samt Werkstatt in der Seidlgasse gibt es seit 1869. Ein Bild mit dem historischen Portal hängt heute im Verkaufslokal unter anderen Ansichten, darunter moderne Werke mit äußerst kunstvollen Rahmen. Referenzwerke. Das Wissen, wie ein guter Rahmen beschaffen sein muss und auszusehen hat, wird hier seit 150 Jahren von Vater zu Sohn weitergegeben. Rahmenmachen – das haben die Wohllebs im Blut. Viele Anfertigungen sind Maßarbeit, somit Unikate. „Art for Art“ ist denn auch das Motto von Wohlleb, der trotz aller künstlerischer Ambition das Praktische voranstellt. „Grundlegend muss ein Rahmen Halt und Schutz bieten. Das ist der wesentliche Zweck und verlangt je nach Größe und Beschaffenheit des Werks eine individuelle Lösung.“
Welcher handwerkliche Aufwand damit verbunden ist, kann man in den Werkstätten nachvollziehen. Herzstück ist die Tischlerei. Hier wird vor allem mit Holz gearbeitet. Linde, Kirsche, Pappel‚ „Gerne verwenden wir auch Weymouthskiefer, weil sie äußerst belastbar ist“, sagt der Firmenchef. Es wird vergoldet, versilbert, lackiert und Farbe aufgebracht. Aufwendige Prozesse, die viel Fingerspitzengefühl verlangen. Gleichwohl werden historische Rahmen sensibel restauriert. Abseits dessen wird nach sehr individuellen Ansprüchen gefertigt. Rahmen mit Mosaiksteinchen, Glaselementen und dergleichen – alles machbar. Gerhard Wohlleb, der das Geschäft mit seiner Frau Edith führt, ist, was den kunstvollen Aspekt angeht, offen für alles. Meist sieht er, welcher Rahmen passend ist, auf den ersten Blick. Wenn sich Bild und Rahmen farblich ergänzen, ist das schön. Muss aber nicht.
Interpretation
Auch die übliche Frage, welcher Rahmen für welches Bild infrage kommt, ist für ihn nur peripher relevant. Wie wichtig ist Stiltreuheit wirklich? Braucht ein Barockbild tatsächlich einen barocken Rahmen? Fragen wie diese machen Wohlleb schon lange nicht mehr fassungslos. „Es gibt kein Muss. Stilbrüche können sehr reizvoll sein. Die Musik zeigt vor, wie das geht“, sagt er und spielt auf ein Konzert an, das er kürzlich besucht hat. Da hat der Pianist zwischen Beethoven, Jazz und Rock ’n’ Roll geswitcht. „Herrlich!“ Ähnlich ist es mit Bild und Rahmen. Das eine ist die Komposition, das andere die Interpretation. Wohlleb sieht sich als Interpret. Einen Eindruck davon bekommt man in den Kunsträumen, die er über seiner Werkstatt eingerichtet hat und wo Ausstellungen stattfinden. Einen weiteren in seinem privaten Reich, wo viele Lieblingsbilder der Wohllebs die Wände zieren. Das ist geradezu eine Leistungsschau an Rahmenvariationen. Jetzt versteht man, weshalb Gerhard Wohlleb aus berufenen Mündern auch gerne als der „Rahmenkünstler“ bezeichnet wird. Er selbst sieht das freilich weniger pathetisch. „Ich habe das große Glück, dass mein Beruf mein Hobby ist. Ich mache einfach die Rahmen, die mir Spaß machen. Und das ist nun einmal unheimlich schön.“
Veranstaltung: "DYNAMIK …und ein Rahmen!"
Mit dem Motto und Titel „Dynamik“ geben die Rahmenmacher Edith und Gerhard Wohlleb, sechs Tage – vom 27. April bis 1. Mai einem besonderen Event einen persönlichen Rahmen. Sechs Tage hören Besucher verschiedene Musiker, sehen Kunst unserer Zeit und finden Raum und Menschen zum offenen Plaudern über aktuelle Kunst und gemeinsames Erleben. An den Wänden: Werke der klassischen und aktuellen Moderne aus der Privatsammlung Wohlleb, besondere Arbeiten, oft in den neuen „Organic Rahmen“, die Gerhard Wohlleb, für eine individuell formbare, zu 100 Prozent aus natürlichen, unbehandelten Stoffen als neue Rahmentechnik entwickelt hat und von Hand herstellt.
„DYNAMIK“ – KUNSTRAUM „ART for ART“
Edith & Gerhard Wohlleb – 27. 4. bis 1. 5. 2019
täglich von 11 bis 22 Uhr
in den Galerie-Räumen von WOHLLEB RAHMEN
Seidlgasse 23, 1030 Wien
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