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Dachausbauten: Wohnen mit Weitblick

Mitten in der Pilgramgasse im fünften Wiener Bezirk surrt die Eingangstür eines Gründerzeithauses. Darin führt der Weg vorbei an drei Stiegenaufgängen bis zu einer Wendeltreppe. Bereits beim Hinaufgehen heißt es schwindelfrei zu sein, denn der Blick aus dem Fenster zeigt, wie sich der Erdboden mit jedem Schritt weiter entfernt.

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Auch die horizontale Perspektive verändert sich und bietet freie Sicht auf den obersten Balkon am Haus gegenüber. An dieser Stelle macht die Wendeltreppe noch zwei Umdrehungen, bevor sie endet. Oben angelangt, stehen Samina und Andrei Gheorghe in der Tür. Sie weisen den Weg durch einen fensterlosen Vorraum in die Wohnung. Dort strahlt das Licht durch die bodentiefen Fenster in jede Ecke des Raums – vom Dachgiebel bis hinters Bücherregal. Der Blick hinaus zeigt Hausdächer und vor allem sehr viel Himmel.

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Seit einem Jahr bewohnen sie mit ihren beiden Kindern eine der drei Wohnungen im „Haus am Dach“. Die anderen beiden Wohnungen sind derzeit befristet vermietet. „Sollten wir irgendwann mehr Platz benötigen, können die Wände durchgebrochen und der Wohnraum auf 300 Quadratmeter vergrößert werden“, sagen sie. Das Architektenehepaar hat versucht den Bau so flexibel wie möglich zu gestalten. Auch die Anschlüsse für eine Klimaanlage sind bereits vorhanden.

Kein Hitzestau unterm Dach

„Diesen Sommer ging es aber noch ohne. Wir hatten es zwar ein paar Grad heißer, haben das aber durch Querlüften ausgehalten“, sagt Andrei Gheorghe. Hitze hin oder her, für das Architektenpaar hatte die Entscheidung am Dach zu leben oberste Priorität. „Wir wollten die Aussicht, das Licht und den Freiraum des Dachs“, so Samina Gheorghe. Dafür investierten die beiden zwei Jahre Planung und sechs Jahre Bauzeit.

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Dass der Dachausbau eine herausfordernde Aufgabe ist, weiß auch Andreas Kropf vom Immobilienentwickler Obenauf. Das Unternehmen baut jährlich bis zu 15 Dachgeschoße aus. „Die Baustelle befindet sich in zwanzig Metern Höhe und rundherum ist kein Platz, weil Straßenbahnen fahren oder Autos geparkt sind“, sagt er. Auch die Gheorghes hatten diese Probleme. „Wir konnten keinen Kran aufstellen“, erzählen sie. Die Materialien mussten mittels Flaschenzug nach oben gehievt werden. Kleinere Teile wie Betonsäcke haben Bauarbeiter und Bauherren selbst hinaufgeschleppt.

25.000 bis 35.000 freie Dachgeschoße

Um das passende Dach zu finden, haben die Gheorghes, trotz großer Auswahl, lange gesucht. Wiens Gründerzeitdächer bieten Schätzungen zufolge Raum für 25.000 bis 35.000 Wohnungen. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. „Dachgeschoßausbauten unterliegen in Wien keiner offiziellen Erfassung. Die Stadt schätzt die Zahl anhand von Luftbildern“, so Ernst Gruber vom Büro wohnbund:consult. Er ist Architekt, Stadtplaner und Mitverfasser der Studie „Leistbaren Wohnraum schaffen – Stadt weiter bauen“.

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Die Studienergebnisse zeigen: 90 Prozent der Dächer im ersten Bezirk sind ausgebaut, zwischen Ring und Gürtel halten sich ausgebaute und nicht ausgebaute Dächer die Waage und außerhalb des Gürtels liegt großes Ausbaupotenzial auf den Dächern. „In den vergangenen 15 Jahren ist der Dachausbau von Gründerzeithäusern beliebt geworden“, so Gruber. Während man 2004 von etwa 400 jährlich errichteten Dachwohnungen ausging, hat sich diese Zahl 2011 verfünffacht.

Dachausbau von der Stadt gewünscht

Nachverdichtung in der Stadt durch Dachausbauten ist auch vonseiten der Politik gewünscht. „Wien wächst und der Dachausbau ist platzsparend und effizient“, sagt Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei Wien. Um den Dachausbau zu erleichtern, soll im November eine Baunovelle beschlossen werden.

Darin enthalten: Eine Auflockerung der Stellplatzpflicht für Autos. Bisher musste pro Wohneinheit ein Parkplatz vorhanden sein. „Künftig können Stellplätze, die durch eine Zusammenlegung von zwei Wohnungen frei geworden sind, an Dachgeschoßwohnungen weitergegeben werden“, so Cech. Außerdem soll das Dach während des Baus bis zu 45 Grad aufgeklappt werden dürfen, was den Bau erleichtern soll.

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Die Öffnung des Dachs gilt  als größte Herausforderung im Bauprozess.  „Das war auch für uns eine sehr kritische Phase“, sagt Andrei Gheorghe. Sechs Monate lang war das Dach geöffnet. „Die Tage, an denen es so heftig gestürmt hat, dass wir knöcheltiefes Wasser auf unserer Baustelle stehen hatten, verdränge ich“, erzählt Samina Gheorghe.

Zu diesem Zeitpunkt haben die beiden bereits im Haus gewohnt und konnten rasch reagieren. Es sei notwendig gewesen, dass sie vor Ort waren. „So waren wir auch immer in Kontakt mit den  Nachbarn“, sagt Gheorghe.

Alle Eigentümer müssen zustimmen

Das war besonders wichtig, als die beiden auf Unterschriftensuche gehen  mussten. Denn bevor ein Dachgeschoß in einem Haus mit mehreren Eigentümern ausgebaut werden darf, müssen alle zustimmen. „Verweigert ein einziger Eigentümer die Zusage, darf  nicht ausgebaut werden“, weiß Andreas Kropf. Das sei gerade in Gründerzeitbauten häufig ein großes Problem.

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„Die Miteigentümer können von einem Dachausbau aber profitieren, da meist die Gebäudeinfrastruktur erneuert, Aufzüge eingebaut, Fassaden und Allgemeinflächen saniert werden“, erklärt Architektin Astghik Der Sakarian.  Die Baubehörde prüft die Gebäudesubstanz und bestimmt mit der Baugenehmigung auch die zu sanierenden Bereiche. 

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Zusätzliche Sanierungen erhöhen die teureren Ausbaukosten eines Dachgeschoßes. „Ich schätze, ein Dachausbau kostet zwischen dreißig bis fünfzig Prozent mehr, als ein anderer An- oder auch Neubau“, sagt Kropf. Architektin Der Sakarian schätzt die reinen Nettoherstellungskosten eines Dachausbaus auf mindestens 2500 Euro pro Quadratmeter ein, wobei die Grenze nach oben hin offen sei.

„Die Herstellungskosten sind im Moment sehr hoch, daher warten einige Dachbodenbesitzer mit dem Ausbau und hoffen auf sinkende Preise“, weiß Der Sakarian. Die Bauexperten sind sich einig, dass jeder Dachausbau auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft werden muss. „Wenn das Volumen eines Rohdachs klein  ist, ist ein Ausbau wirtschaftlich eventuell nicht sinnvoll“, so Kropf.

Mietpreis nicht indexgebunden

Zwischen drei bis sechs Wohnungen sollten sich auf einem Gründerzeitdach jedenfalls ausgehen, schätzt Stadtplaner Ernst Gruber.
Der Mietpreis ist am Dach übrigens nicht indexgebunden.

„Da der  Aufbau ein neuer  Teil des Hauses ist, kann der Mietpreis an den Immobilienmarkt angepasst werden“, sagt er. Dafür bekommen Mieter am Dach oft eine großzügige Terrasse und freie Sicht auf den Himmel über Wien.