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Wo man schon vor 100 Jahren den Massentourismus beklagte

Einstmals war das Gold  i n   Salzburgs Bergen zu finden, heute ist es  a u f  Salzburgs Bergen zu finden.“ Also sprach der Präsident der Handels- und Gewerbekammer, Ludwig Zeller. Im Jahr 1898. Und das Salzburger Volksblatt schrieb 1908: „Der Strom der Reisenden ist imstande ein Land oder eine Stadt vollkommen umzugestalten“.

Die Streitfrage „Bewahren oder Erschließen“ hat nicht erst unser Jahrhundert erfunden. Sie ist so alt wie der Tourismus selbst. Das hat die Historikerin Katharina Scharf festgestellt, als sie sich jetzt für ihre Dissertation mit der touristischen Erschließung und Transformation Salzburgs beschäftigt hat.

Scharf kommt aus einem überhaupt nicht touristischen Gebiet. „Vom Land, aus Oberösterreich“, erzählt sie im KURIER-Interview. Der Umzug nach Salzburg, in eine Stadt, in der der Tourismus überall präsent ist, war daher „eine ganz neue Erfahrung“. Sie wollte wissen, wie es so weit kommen konnte. Und wie sich das auf die Bevölkerung auswirkt.

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1860, da ging es los

Die junge Historikerin durchwühlte also Archive, studierte Plakate, Postkarten (Bild oben), verstaubte Dokumente, Reiseberichte, Vereinsschriften und Landtagsprotokolle zurück bis 1860. Dieses Jahr war eine wichtige Zäsur: Salzburg wurde an das internationale Eisenbahnnetz angeschlossen. „Und da ging es so richtig los“, sagt Scharf.

Bescheidene Almhütten auf den Gipfeln wurden zu prächtigen Palasthotels ausgebaut. Bereits 1865 wurde zum Beispiel das heute nicht mehr existierende Hotel Moserboden errichtet, samt extra Straßenzufahrt. Die karge Kesselfallhütte wurde in eine Luxusunterkunft verwandelt. Und in Bad Gastein wurden kleine Unterkünfte zu Grand Hotels.

In der Belle Époque um 1900 entdeckten schließlich immer  mehr Menschen aus der gehobenen Gesellschaft die Lust am Reisen.

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Kleiner feministischer Ausflug: „Interessant ist, dass beim Ausbau der Gastronomie und Hotellerie relativ viele Frauen beteiligt waren. Weibliche Unternehmer waren keine Seltenheit, vor allem als Gastwirtinnen.“ Für Salzburg fand Scharf viel Material in den jährlichen Statistikbänden der Handelskammer. Diese war einer der wichtigsten Akteure für den Wandel des Landes in Richtung Tourismus.

„Was mich überrascht hat, war, dass auch das Naturschutzthema schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr präsent war – und nicht erst in den 1970er Jahren aufkam, wie man meinen möchte“, sagt die Historikerin.

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Wa(h)re Idylle

Salzburg war 1816 als bettelarmes Land zu Österreich gekommen, und der Tourismus erschien vielen als Ausweg aus der Not. „Tourismus initiiert Modernisierung, Infrastrukturausbau und technische Innovationen bei gleichzeitiger Forderung nach dem Erhalt des vermeintlich Authentischen und Ursprünglichen, speziell im Alpentourismus“, sagt Scharf. „Wir haben es mit dem Widerspruch zu tun, dass wir für das wirtschaftliche Fortkommen einerseits Erschließung brauchen – die Erschließung andererseits aber die Natur oder das Landschaftsbild und damit den Tourismus gefährden kann.“

Kontroversen

Wie mit dem Dilemma umgehen – diese Frage führte schon bald auch innerhalb des Alpenvereins zu kontroversiellen Positionen. Ursprünglich förderte man den Tourismus: Möglichst viele Menschen sollten die Berge mit ihrer Fauna und Flora kennen- und schätzen lernen, lautete das Argument. Doch schon bald wurden mahnende Stimmen laut, wie die von August Prinzinger: „Was Salzburg als prächtigstes Geschenk in die Wiege bekommen hat, ist seine Natur“, schrieb er 1904 und fügte mit Bedauern hinzu, dass eben diese zerstört werde und „das Ziel nimmersatter Beutegier“ sei.

Klingt bekannt? Historikerin Katarina Scharf abschließend: „Über die Jahrzehnte hinweg hat sich nichts an den Problemen geändert. Sie dürften so schwierig und unlösbar sein, dass es egal ist, ob wir 1900 oder 2000 schreiben.“

Tourismus in Zahlen

  • Masse ist relativ: Etwa 100.000 Reisende beehrten die Mozartstadt im Jahr 1900. 2016 waren es um die 800.000.  „Im Vergleich zu heute kann man also nicht von Massen sprechen. Trotzdem gab es schon damals dieselben Klagen über die Massen, die ins Land strömen und die Frage, wie man mit den vielen Menschen umgehen soll“, sagt die Historikerin Scharf. „Die Wahrnehmung damals war  ähnlich wie die heute.“
  • Zum Vergleich: Mit 28,1 Millionen Nächtigungen von November 2016 bis Oktober 2017 wurde im Bundesland Salzburg nun erstmals die 28 Millionen Marke überschritten. Ein Rekordergebnis, für das bedeutende Bausteine vor gut 150 Jahren gelegt wurden. Zum Vergleich: Die Welttourismusorganisation (UNWTO) zählte  2016 mehr als 1,23 Milliarden weltweite grenzüberschreitende Reiseankünfte.