Wo Krebspatienten neue Kraft tanken
Von Ingrid Teufl
Krebs wird immer häufiger eine chronische Erkrankung, die Langzeit-Überlebensraten steigen kontinuierlich an. Um die Rückkehr in den Alltag zu erleichtern sowie die Folgebeschwerden der anstrengenden Krebstherapien zu minimieren, hat sich seit einigen Jahren eine spezielle onkologische Rehabilitation bewährt, die zunehmend Teil moderner Behandlungskonzepte wird.
Eine aktuelle, in der Reha-Klinik St. Veit im Pongau mit mehr als 1000 Patienten durchgeführte Studie zeigte, dass dadurch Depressionen und Ängste um die Hälfte reduziert werden und sich die Lebensqualität der Patienten generell um knapp 25 Prozent erhöhte. "Schon drei bis vier Wochen Reha bringen eine enorme Verbesserung", sagt Prof. Thomas Licht, ärztlicher Leiter in St. Veit.
Denn nach einer erfolgreichen Krebstherapie – etwa Chemotherapie oder Operation – leidet ein großer Teil der Patienten an körperlichen und psychischen Folgen. Als eine der häufigsten Spätfolgen gilt etwa die sogenannte Fatigue (außergewöhnlich starke Müdigkeit und Erschöpfung). Viele Betroffene klagen über Schmerzen, Nervenschädigungen oder Inkontinenz. Dazu kommen psychische Beschwerden wie Depressionen und Angst, dass die Erkrankung zurückkehren könnte. Dies beobachte man häufig, unabhängig vom tatsächlichen Rückfallrisiko, sagt Licht.
Drei Therapiesäulen
Für die Studie wurden der Gesundheitszustand sowie die persönliche Einschätzung der Lebensqualität vor und nach der Reha dokumentiert. Dazwischen liegt ein Therapiekonzept, das sich an internationalen Richtlinien onkologischer Rehabilitation orientiert. Diese empfehlen drei Säulen: Neben den körperlichen Aspekten (Beweglichkeit, Ernährung, Schmerzkontrolle) gibt es eine gezielte psycho-onkologische sowie eine edukative Betreuung, um die Kommunikation zu fördern. Dabei wird Individualität groß geschrieben. "Das Reha-Programm ist nie für alle gleich. Es geht immer um die persönlichen Bedürfnisse. Wir holen den Patienten ab, wo er steht", erklärt Licht.
Die Erkenntnisse in St. Veit passen zu den Ergebnissen anderer, auch internationaler Untersuchungen. "Wir wissen: Ein dreiwöchiger Turnus kann dazu beitragen, die Folgen einer Krebserkrankung abzufedern", betont Prim. Alexander Gaiger, Leiter der Onkologischen Rehabilitation im Lebens.Med Zentrum Bad Erlach und Präsident der österreichischen Gesellschaft für onkologische Rehabilitation. Mit spezieller Reha könne nicht nur die Wirksamkeit der Krebstherapie verstärkt, sondern auch wichtige Unterstützung für den folgenden Alltag gegeben werden. Das heißt etwa: erklären, dass die bleierne Müdigkeit der Fatigue eine normale Reaktion des Körpers auf die Belastungen während der Krebstherapie ist. In Summe soll in der Rehabilitation "das Vertrauen in den Körper wieder gestärkt" werden. Das Zusammenspiel der drei Säulen des integrativen Therapiekonzepts dürften ebenso zu einer Verbesserung der Überlebensraten beitragen.
Vor allem der Nutzen körperlicher Aktivität habe sich deutlich belegen lassen. Gaiger: "Es gibt Daten u. a. für Dickdarm-, Brustkrebs- und Prostatakrebs, dass regelmäßiger Sport zu einer Art Anti-Tumor-Effekt führt." Warum das so ist, ist noch nicht vollständig geklärt. "Es gibt Thesen, dass der Muskelaufbau ein Milieu schafft, das das Tumorwachstum hemmt."
Im Gegensatz zu Deutschland, wo es Programme für onkologische Rehabilitation bereits seit den 1990er-Jahren gibt, ist das in Österreich erst seit einigen Jahren ein Thema. Immerhin listet die Krebshilfe mittlerweile sieben Zentren für stationäre Reha auf, dazu kommen noch einige weitere ambulante und spezialisierte Einrichtungen. Doch viele Betroffene einer Krebserkrankung wissen gar nicht, dass es diese Möglichkeiten gibt. "Nur ein kleiner Teil stellt einen Antrag", sagt Prim. Alexander Gaiger von der Gesellschaft für onkologische Rehabilitation.
Die Programme sind generell allen Patienten zugänglich. Das ist für Gaiger ein wichtiger Punkt. Armut und ein niedriges Bildungsniveau sind Faktoren, die den Verlauf einer Krebserkrankung nachweislich verschlechtern. "Große, internationale Studien mit Tausenden Teilnehmern zeigen, dass sich bei einem geringen sozioökonomischen Status die Überlebensrate um bis zu 60 Prozent verringert."