Wissen/Wissenschaft

Neu auf dem Stundenplan: Lebensnahe Wirtschaftsbildung

Jeder Dritte, der in Österreich die Schuldnerberatung aufsucht, ist jünger als 30 Jahre – im Schnitt hat er da schon 40.000 Euro an Schulden angehäuft. Das Problem: In der Schule ist der Umgang mit Geld nur in Ausnahmefällen ein Thema. Dabei wünschen sich die meisten Schülerinnen und Schüler, dass die Schule sie fit fürs Leben macht.

Und das passiert auch bald – zumindest an den 30 Schulen, in denen ab Herbst das Pilotprojekt Wirtschaftsbildung startet. Schülerinnen und Schüler der 5. bis 8. Schulstufe lernen dabei nicht nur den Umgang mit Geld, sondern erhalten auch ein tieferes Verständnis von Wirtschaft: Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen sind ebenso Thema wie unternehmerisches Denken oder Wirtschaft aus der Perspektive von Arbeitnehmern oder von Unternehmen.

Unterstützung

Dabei bleibt es den Schulen überlassen, ob sie ein eigenes Fach „Wirtschaftsbildung“ etablieren oder ob sie das Thema fächerübergreifend in den Unterricht integrieren, indem zum Beispiel Projektwochen angeboten werden. Dafür brauchen die Schulen Unterstützung. Sie erhalten diese auch – in Form von Lehr- und Lernmaterial, von Coaching und von Fortbildungen. Darüber hinaus gibt es eine finanzielle Förderung von 5.000 Euro pro Jahr und Schule.

Die Idee ist, dass Wirtschaftsbildung langfristig Teil des österreichischen Lehrplans wird. Das Konzept und die Finanzierung übernimmt die Stiftung für Wirtschaftsbildung, die von Arbeiterkammer, Erste Stiftung, Industriellenvereinigung, Innovationsstiftung für Bildung, MEGA Bildungsstiftung, der Österreichischen Nationalbank und der Wirtschaftskammer gegründet wurde. Alle sieben Organisationen steuern jährlich jeweils 200.000 Euro bei. 

"Jeder Schüler und jede Schülerin sollte mit 14 Jahren praxisrelevantes Grundwissen besitzen und so auch allgemeine Zusammenhänge der Wirtschaft verstehen", begründet Matthias Reisinger, geschäftsführender Vorstand der Stiftung, das Investment.

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Christian Friesl, Bereichsleiter „Bildung & Gesellschaft“ der Industriellenvereinigung, eröffnete den Statement-Reigen bei der heutigen Präsentation des Schulpilot-Projektes: „Wir brauchen
mündige, kritische und selbstständige Bürgerinnen und Bürger, die nachhaltige und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen und gleichzeitig Verantwortung für Gesellschaft und Wirtschaft übernehmen. Dafür braucht es ein klares Bewusstsein dafür, was Wirtschaft bedeutet. Wirtschaft ist eine unheimlich spannende Materie, und eine wesentliche Säule unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.“

Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer ergänzte: „Die Schule muss ein Ort sein, an dem man neue Gesellschaftsentwürfe denken kann, die ein gutes Leben für alle Menschen
versprechen. Uns ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ermächtigt werden, ihre eigene Zukunft zu gestalten und mitzugestalten. Dazu gehören auch Kenntnisse über Wirtschaft und Gesellschaft
und wie man die eigenen Interessen hier einbringen kann.“

„Systemische Verankerung von Innovationen im Bildungssystem spielt für die Innovationsstiftung für Bildung eine zentrale Rolle. Genau das ist unser Ziel: Pilotschulen den Spielraum zu geben unterschiedliche Ansätze und innovative Vermittlungsmethoden im Klassenzimmer zu pilotieren, mit dem Ziel vor Augen, Wirtschafts- und Finanzkompetenzen zukünftig allen Schülerinnen  und Schülern wirksam und somit auch spannend zu vermitteln. Der breite Schulterschluss von sieben Gründungsorganisationen liefert dafür die optimale Voraussetzung“ äußerte sich Jakob Calice, Vorstand der Innovationsstiftung für Bildung.

Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, ergänzt: „Um die bestmögliche Wirtschafts- und Finanzbildung für junge Menschen gewährleisten zu können, ist
uns als Oesterreichische Nationalbank die Wirkungsanalyse für die Gestaltung und Weiterentwicklung des Unterrichts zum Thema ein besonderes Anliegen.“

Auch Mariana Kühnel, Generalsekretär-Stellvertreterin der WKÖ, unterstreicht die Bedeutung der Stiftung für Wirtschaftsbildung: „Diese Plattform drückt einen breiten bildungspolitischen
Konsens aus: Nämlich, wie wichtig es ist, Wirtschaftsthemen größeren Stellenwert einzuräumen und sie im Alltag zu verstehen. Und zwar schon in der Schule. Es gibt nämlich kein
Mindestalter für Interesse an der Wirtschaft – schon junge Menschen lassen sich für ökonomische Themen begeistern, wenn diese praxisnahe und spannend vermittelt werden.
Vom Taschengeld, über den ersten Arbeitsvertrag bis hin zu BIP und Bitcoin. Das ist der entscheidende Punkt.“

Mariella Schurz, Beirätin der MEGA Bildungsstiftung, schließt sich ihren Vorrednerinnen und Vorrednern an und ergänzt: „Wir müssen begreiflich machen, dass wir alle Wirtschaft sind, unabhängig davon ob ich Schülerin/ Schüler, Lehrerkraft, Beamtin oder Beamter, Pensionistin oder Unternehmerin bin. Dieses Verständnis ist das Fundament einer modernen Gesellschaft. Es ist Aufgabe des Bildungssystems, allen jungen Menschen das Rüstzeug für ein chancenfaires, selbstbestimmtes Leben mitzugeben.“

Sie übergab damit an Andreas Treichl, Aufsichtsratspräsident der Erste Stiftung: „Mit dem Schulpilot ‚Wirtschaftsbildung‘ startet der Praxistest für künftige Lerninhalte und Lehrformen
zum Thema Wirtschafts- und Finanzbildung. Wir wollen herausfinden, welche Methoden sich zur Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftsbildung im Regelschulbetrieb am besten eignen.
Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet, um am Ende auf der Basis von Fakten entscheiden zu können, welche Form der Vermittlung die jungen Leute am besten auf ein Leben
vorbereitet, in dem sie in praktisch jeder Lebenslage Entscheidungen fällen müssen, die ihre wirtschaftliche Situation und die ihres Umfelds betreffen.“