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Braunbären-Bauch: Was hinter dem "Fat Bear" steckt

Er heißt Otis, ist 25 Jahre alt und fett wie kein anderer: Zwölf Braunbären hatten im Katmai-Nationalpark in Alaska eine Woche lang um den Titel "Fat Bear" gerittert. Mehr als 793.000 Stimmen aus aller Welt gingen schließlich bei der siebenten "Fat Bear Week" ein. Beobachter konnten die Kandidaten heuer wieder online auf Webcams beim Fressen beobachten, Vorher-Nachher-Fotos anschauen und für ihre Favoriten voten. Im Frühjahr waren die Bären noch mager, bis zum Herbst mussten sie sich Fettreserven für den Winterschlaf anlegen. Otis war dabei mit mehr als 450 Kilo besonders erfolgreich.

Der US-Wettbewerb hat durchaus einen seriösen Hintergrund. Tierschützer wollen mit der Aktion über das Ökosystem und den Lebensraum der über 2.000 Braunbären in der Region informieren. Auch in Österreich beschäftigen sich Experten mit den großen Räubern, ihrem Winterschlaf und den Energiereserven.

Fettleibigkeit macht Braunbären nicht krank

Wissenschaftler der Vetmeduni Wien nahmen den Stoffwechsel von skandinavischen Braunbären genauer unter die Lupe. Ursus arctos frisst sich gewaltige Depots für die kalte Jahreszeit an, für die Blutgefäße hat das Übergewicht jedoch keine negativen Folgen, zeigt ihre Studie. Denn obwohl sich der Fettstoffwechsel der brauen Riesen während des Winterschlafs radikal verändert, sind die Bären durch Gegenmechanismen in der Lage, ihr Blutplasma und ihre Muskeln trotz erhöhter Lipidspiegel wirksam zu schützen.

Winterschlaf braucht Reserven

Der Winterschlaf der Säugetiere ermöglicht es, im Winter raue Umweltbedingungen – einschließlich Nahrungsmangel – zu überleben. Dazu sammeln überwinternde Säugetiere vor der kalten Jahreszeit große Fettreserven an und verdoppeln ihre Körpermasse vom Frühjahr bis zum frühen Herbst beinahe, was beim Menschen als fettleibig angesehen würde. Dann treten Säugetiere im Winterschlaf in einen Zustand des Stoffwechsels – den sogenannten Torpor – ein, der zu einer erheblichen Reduzierung des Energiebedarfs führt und es den Tieren ermöglicht, den Winter zu überleben.

Keine Stoffwechselstörungen

Um die Mechanismen zu untersuchen, durch die Winterschläfer atherogene Hyperlipidämie – eine Fettstoffwechselstörung – während des Winterschlafs vermeiden, untersuchte das Forschungsteam den Lipoprotein- und Cholesterinstoffwechsel von freilebenden skandinavischen Braunbären. Dazu wurden im Winter und im Sommer die Lipoproteingrößen und -unterklassen, die Triglycerid-bezogenen Plasmaenzymaktivitäten und die Muskellipidzusammensetzung sowie die Plasmaspiegel der antioxidativen Kapazitäten und Entzündungsmarker gemessen.

Das Ergebnis: „Obwohl fast alle Lipidspiegel erhöht waren, ermöglichte eine um mehr als ein Drittel höhere Cholesterinester-Transferprotein-Aktivität eine Stabilisierung der Lipidzusammensetzung von Lipoproteinen mit hoher Dichte (HDL). Die Konzentrationen von entzündungsfördernden Stoffwechselprodukten nahmen im Winter ab und korrelierten umgekehrt mit kardioprotektiven HDL2b-Anteilen und HDL-Werten, die während des Winterschlafs anstiegen“, so Studien-Erstautor Sylvain Giroud, Wildtierökologe am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.

Bären steuern während des Schlafs die Lipidflüsse

Laut Giroud deuten zudem niedrigere Muskelcholesterinkonzentrationen und eine geringere Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase-Aktivität im Winter darauf hin, dass der Winterschlaf eine kontrollierte periphere Cholesterinsynthese bzw. -freisetzung mit sich bringt. Außerdem verhindern erhöhte Plasma-Antioxidantien-Kapazitäten übermäßige lipidspezifische oxidative Schäden im Plasma und in den Muskeln. Daher bewältigen Braunbären während des Winterschlafs große Lipidflüsse, ohne nachteilige atherogene Wirkungen zu entwickeln – die bei Menschen und Nicht-Winterschläfern bei Fettleibigkeit auftreten.

Neuer Ansatz für Behandlung von Atherosklerose beim Menschen

Die neuen Erkenntnisse dsind insbesondere auch deshalb interessant, da es sich bei der atherogenen Hyperlipidämie um eine Stoffwechselstörung handelt, von der auch Menschen betroffen sind. Dabei werden Cholesterinester und andere Fette in die innere Wandschicht arterieller Blutgefäße eingelagert, was in weiterer Folge zur Atherosklerose führt, wodurch insbesondere Herzkranzgefäße, Halsschlagader und die großen Beinarterien geschädigt werden. Das aus der Untersuchung der Braunbären gewonnene Verständnis ist deshalb auch von großem Interesse, um neue Strategien gegen die Atherosklerose beim Menschen zu entwickeln.

Die internationale Studie mit Wiener Beteiligung ist im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.