Wissen/Wissenschaft

Biontech-Gründer findet Impfstoff um zwei Euro unrealistisch

Der österreichische Krebsforscher und Ko-Gründer der Firma BioNTech, Christoph Huber, sieht in mRNA-Impfstoffen ein "ungeheures Technologiegebiet". Die Wirkstoffe seien allerdings "kein Hustensaft", ihre Entwicklung und Herstellung entsprechend komplex. Das heiße auch, dass man die Rezepte nicht freigegeben und allerorts einfach nachkochen könne, sagte Huber am Mittwochabend bei einem Vortrag: "Es ist völlig klar, dass wir keinen Impfstoff um zwei Euro herstellen können."

Die deutsche Firma BioNTech und der US-Pharmakonzern Pfizer haben im Dezember als erstes Entwicklungskonsortium die Zulassung für einen Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus erhalten.

EU war sehr zurückhaltend

Die Länder der EU hätten sich in dieser Phase mit ihrem Bekenntnis zu dieser neuen Technologie sehr zurückgehalten. Es sei eine prinzipielle Frage: "Werden sie als Staatenbund versuchen diese Art von Technologie kühn und schnell zu unterstützen, oder werden sie vier, fünf Monate über Preise verhandeln und damit den Wettbewerbsvorteil weggeben?"

Der angelsächsischen Raum oder Israel sei den Schritt zur offensiven Unterstützung des vielversprechenden Ansatzes, zu einem laut Hubers Einschätzung annehmbaren Preis, entschlossen gegangen. Europa sei jedoch mit seiner fast traditionellen "kühlen" Zurückhaltung ins Hintertreffen geraten. Eine Änderung dieses hier hinderlichen Zuganges "liegt an uns allen", meinte Huber, bei dem von der AGES-Akademie organisierten Online-Vortag.

Daraus gelernt

Dass es in unseren Breiten oft schwieriger ist, neue Ansätze umzusetzen, sei "sicher auch ein Kulturfaktor. Die Brains sind da", wie man an den BioNTech-Mitgründern Ugur Sahin und Özlem Türeci sehe. Letztlich müsse aber auch die Politik diese Talente fördern und schützen. Die Abläufe des vergangenen Jahres hätten schon ein Umdenken ausgelöst. Er sehe "klare Hinweise", dass Europa daraus gelernt hat und es nicht mehr derart in Rückstand gerate, zeigte sich Huber überzeugt.

Kein Hustensaft

Wenn jetzt Stimmen laut werden, die dafür plädieren, das Wissen über die Entwicklungs- und Herstellungsprozesse für mRNA-Impfstoffe einfach freizugeben, um Wirkstoffe auch andernorts herzustellen, vergesse man, "dass es in der Regel Jahre dauert bis man diese Technologie umsetzen kann", so der Forscher: "Es ist kein Hustensaft, der hier hergestellt wird, sondern ein Hochtechnologieverfahren."

Man müsse nicht nur die Synthese des mRNA-Vakzins und die Herstellung der Nanopartikel, in die die Erbgutstücke des SARS-CoV-2-Virus eingepackt werden, beherrschen, "man muss sich auch die Lieferketten für die Komponenten in Märkten, die größtenteils ausgeschöpft sind, erschließen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das jemand anderer in kürzerer Zeit kann - das ist eigentlich unmöglich". Man könne etwa auch nicht einfach einen Baupläne für Elektroautos etwa in ein Entwicklungsland schicken und glauben, dass damit dort alle Verkehrsprobleme gelöst werden.

20 Jahre arbeite man an mRNA-Technologie

Unter der Leitung von Sahin und Türeci arbeite man seit rund 20 Jahren an der präklinischen und seit zehn Jahren in der klinischen Entwicklung der mRNA-Technologie. Zuerst vor allem mit dem Ziel, Impfstoffe gegen Tumore zur Verfügung zu haben. Die Idee dahinter ist, über das Einschleusen bestimmter Erbgut-Teile das körpereigene Immunsystem gezielt auf Krebszellen anzusetzen. Spätestens seit SARS-CoV-2 sei jedem klar, dass man so auch eine breite Immunreaktion gegen Viren anstoßen kann, indem man dem Körper quasi den Bauplan für den Impfstoff liefert, den die Zellen dann selbst herstellen.

Nicht vergessen dürfe man, dass derartige Innovation meistens nicht von den großen Pharmafirmen, sondern ursprünglich aus dem universitären Umfeld und der Grundlagenforschung kommen, so der emeritierte Professor an der Universität Mainz. Um die Ideen umzusetzen, habe er dann in Mainz Firmen und ein Forschungsinstitut mitgegründet, in denen es darum geht, die Erkenntnisse zur Marktreife zu bringen.

Impfstoff kann in vier Wochen für Mutationen angepasst werden

Bei der Durchführung der großen klinischen Studien seien dann wieder die großen Pharmafirmen stark, was die Kooperation mit Pfizer eindeutig zeige. Die nun breit verfügbaren "Real World-Daten" aus Israel zum Pfizer/BioNTech-Impfstoff seien insgesamt "sehr ermutigend". Jetzt gehe es um die Klärung der Fragen, ob und wann es einer möglichen Auffrischung bedarf, und inwieweit der Wirkstoff zum Einsatz bei Kindern und Schwangeren geeignet ist. Studien dazu seien im Laufen, erklärte Huber.

Weiters beobachte man in Abstimmung mit Behörden die Virus-Varianten genau. Würde tatsächlich eine Mutante auftreten, die den Impfschutz umgehen kann, könne der Wirkstoff in ungefähr vier Wochen angepasst werden. "Man ist darauf ganz gut vorbereitet", betonte der Wissenschafter.

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