Wissen/Wissenschaft

4.000 Jahre alt: Ägyptischer Schädel als Beleg für erste Krebs-Therapien?

Die alten Ägypter sind bekannt für ihre bedeutenden Beiträge zu Kunst, Architektur, Mathematik – und nicht zuletzt Medizin. Aus alten Texten lässt sich ableiten, dass sie bestimmte Krankheiten und Verletzungen erkennen, beschreiben und teils behandeln konnten. Sie waren etwa bereits fähig, Prothesen zu bauen und Zahnfüllungen einzusetzen. 

Bei Krebs stießen sie wohl an ihre Grenzen – doch sie dürften zumindest versucht haben, den bösartigen Geschwüren auf den Grund zu gehen.

Das legen zwei menschliche Schädel nahe, die jeweils mehrere Tausend Jahre alt sind – und von einem internationalen Forschungsteam genauestens untersucht wurden. Die Erkenntnisse wurden nun im Fachblatt Frontiers in Medicine veröffentlicht. 

Tumore, Metastasen und Schnittspuren unterm Mikroskop 

Die Knochenrelikte aus einer archäologischen Sammlung der Universität Cambridge wurden mittels Mikroskop untersucht. An dem einen Schädel, aus der Zeit zwischen 2.687 und 2.345 v. Chr., konnte eine übermäßige Gewebezerstörung sichtbar gemacht werden, wohl zurückzuführen auf einen Tumor, heißt es. Darüber hinaus dokumentierte man etwa 30 kleine Metastasen, die über den Schädel verstreut waren. 

Was die Forschenden verblüffte: Schnittspuren um die Gewebeschädigung herum, die womöglich mit einem scharfen Gegenstand, etwa einem Metallinstrument, zugefügt wurden. "Als wir die Schnittspuren zum ersten Mal unter dem Mikroskop sahen, konnten wir nicht glauben, was wir da vor uns hatten", wird Tatiana Tondini, Erstautorin der Studie von der Universität Tübingen, in einer Aussendung zitiert. 

"Es scheint, als hätten die alten Ägypter irgendeine Art von chirurgischem Eingriff durchgeführt, was beweist, dass die alte ägyptische Medizin auch experimentelle Behandlungen oder medizinische Forschungen im Zusammenhang mit Krebs verfolgt hat", erklärt der auf Ägyptologie spezialisierte Onkologe und Mitautor Albert Isidro vom spanischen Universitätskrankenhaus Sagrat Cor in Barcelona.

Daraus, dass auch auf dem zweiten Schädel Verletzungen gefunden wurden, die auf einen Krebstumor mitsamt Knochenmetastasen zurückzuführen sind, leitet das Team um Tondini noch etwas anders ab: Denkbar sei, dass Krebs auch vor Tausenden Jahren schon eine häufige Erkrankung war.

"Neue Perspektive für Verständnis der Medizingeschichte"

Weil Untersuchungen von Skelettresten immer Unschärfen bergen – etwa, weil die Überreste unvollständig oder beschädigt sind –, sei die Aussagekraft der Studie gemindert, betonen die Forschenden selbst. Auch über die Krankengeschichte der Verstorbenen lassen sich nur begründete Vermutungen anstellen: "In der Archäologie arbeiten wir mit einem fragmentierten Teil der Vergangenheit, was einen genauen Ansatz erschwert", betont Isidro.

"Dieser Befund ist ein einzigartiger Beweis dafür, wie die altägyptische Medizin vor mehr als 4.000 Jahren versucht hat, Krebs zu behandeln oder zu erforschen", fügt Edgard Camarós, ebenfalls Erstautor und Paläopathologe an der Universität Santiago de Compostela, hinzu. Die Erkenntnisse wurden eine "außergewöhnliche neue Perspektive für unser Verständnis der Medizingeschichte" liefern.