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Neue telefonische Gesundheitsberatung rund um die Uhr

In drei Bundesländern steht ab heute, Freitag, eine neue telefonische Beratungsmöglichkeit bei Gesundheitsproblemen zur Verfügung: Unter der Telefonnummer 1450 - ohne Vorwahl - gibt speziell geschultes, diplomiertes Krankenpflegepersonal In Niederösterreich, Wien und Vorarlberg Auskünfte bei Gesundheitsfragen aller Art, schätzt mit Hilfe eines strukturierten Fragenkatalogos die Dringlichkeit einer Behandlung bei akuten Symptomen ein und berät zur weiteren Vorgangsweise.

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„Das Angebot soll den Anrufern helfen, die Dringlichkeit ihres Gesundheitsproblems abzuschätzen und einzustufen“, sagt Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. „Und sie werden beraten, wo sie auch am besten versorgt werden können – als Wegweiser durch das Gesundheitssystem.“ Es sei aber "keine Ferndiagnosestelle und kein Ferndiagnoseservice."

Rendi-Wagner erzählt ein Beispiel: "Eltern mit kleinen Kindern, die spätabends über Bauchschmerzen und Übelkeit klagen, sind immer unsicher: Wohin sollen sie mit ihrem Kind gehen? Sollen sie abwarten bis zum nächsten Morgen? Sollen sie in ins Spital fahren? Oder sollen sie die Rettung rufen? All diese Fragen gehen ihnen durch den Kopf - und genau für solche Unsicherheitssituationen ist das neue Angebot geschaffen worden."

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„Mit dem neuen Angebot, wollen wir auch verhindern, dass Menschen bei der Suche nach Informationen im Internet noch mehr verunsichert werden“, sagt die Wiener Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger.

Die Pilotphase dauert bis Ende 2018, das Budget dafür beträgt 5,5 Mio Euro, die von den Sozialversicherungen, Ländern und dem Gesundheitsministerium aufgebracht werden. Bewährt sich das Angebot, wird es auf ganz Österreich ausgeweitet.
Maximal 20 Sekunden soll die Wartezeit am Telefon betragen, mit 100.000 bis 200.000 Anrufen pro Jahr wird gerechnet.

Ein Zeitlimit pro Gespräch gibt es nicht – nach ersten Erfahrungen dauert ein Gespräch im Schnitt zwölf bis 15 Minuten, sagt Volker Schörghofer vom Hauptverband. Derzeit gibt es eine aktuelle Beratung nur auf Deutsch. Auf informeller Ebene kann aber ein Rückruf vereinbart werden, falls ein Mitarbeiter entsprechende Sprachkenntnisse hat.

Kein Ersatz für die Rettung

"Diese Beratung ist kein Ersatz für die Rettung 144 oder andere Einrichtungen wie den Wiener Ärztefunkdienst bzw. den NÖ Ärztedienst 141" betont Patientenanwalt Gerald Bachinger gegenüber dem KURIER. Vielmehr handle es sich um eine Erstberatung, die versuche, dem Anrufer rasch Antworten auf Fragen wie "Brauche ich einen Behandlung und wenn ja, an wen soll ich mich wenden und wie dringend?" zu geben und an die richtige Stelle im Gesundheitssystem weiterzuvermitteln.

Durch ein spezielles, strukturiertes Abfragesystem sei eine Einschätzung der Dringlichkeit möglich: "Aktue Fälle werden sofort direkt an die Rettung weitergeleitet."

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Ärzte im Hintergrund

Außerdem gebe es im "Backoffice" diensthabende Notärzte, auf die die Krankenpflegepersonen am Telefon jederzeit zurückgreifen können.

Internationale Erfahrungen würden allerdings zeigen, dass 90 bis 95 Prozent aller Anfragen von dem diplomierten Krankenpflegepersonal mit Hilfe des elektronischen Abfragesystems alleine richtig eingeschätzt bzw. weitervermittelt werden können.

Dass eine Beurteilung des tatsächlichen Zustandes des Patienten nur bei einem direkten persönlichen Kontakt möglich ist, sieht Bachinger nicht so: "Auch bei bestehenden Bereitschaftsdiensten wie dem Wiener Ärztefunkdienst oder dem NÖ Ärztedienst wird die Dringlichkeit des Falls am Telefon abgeschätzt."

Patienten schätzen Zustand falsch ein

Wobei es auch nicht darum gehe, durch die Beratung Arztbesuche zu ersetzen, es werde am Telefon ja auch keine Diagnose gestellt: "Aber 70 Prozent der Menschen schätzen die Dringlichkeit ihres Notfalls falsch ein. Vier Fünftel der Beschwerden welche in Notfallambulanzen behandelt werden, könnten auch im niedergelassenen Bereich adäquat versorgt werden."

Wer Telefondienst macht, müsse überdies mindestens fünf Jahre Berufspraxis und eine zusätzliche Zertifizierung für dieses Abfragesystem haben.

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Erste Erfahrungen

Erfahrungen der erste Tage in Niederösterreich hätten gezeigt, dass durch die Telefonberatung in mehreren Fällen ein Rettungseinsatz nicht notwendig war: "Früher wäre in diesen Fällen die Rettung zu dem Patienten gefahren. Die genaue Abfrage der Symptome habe allerdings gezeigt, dass die Dringlichkeit der Symptome nichts so groß ist. "

Entlastung der Ambulanzen

Der Vorteil für den Patienten sei, dass es jetzt eine Anlaufstelle für allgemeine Fragen und die Einschätzung eines Gesundheitsproblems gebe - auch außerhalb der Praxis-Öffnungszeiten. "Und er erspart sich durch die Beratung möglicherweise stundenlange Wartezeiten in einer Ambulanz."

Und für das Gesundheitssystem könnte das zu einer Entlastung der Spitalsambulanzen führen - "und diese Mittel könnten dann im Gesundheitssystem für ein besseres Service verwendet werden", sagt Bachinger.

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Was die Ärztekammer sagt

"Im Prinzip stehen wir dem Projekt positiv gegenüber, aber man muss sich jetzt natürlich die Erfahrungen des Pilotprojekts ansehen" , sagt der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, zum KURIER. Wichtig sei die Einbindung des Ärztefunkdienstes gewesen.

"In vielen Fällen wissen die Patienten gar nicht, welche Möglichkeiten es für sie im Gesundheitssystem gibt. Eine solche telefonische Beratung kann helfen, sie durch das System zu leiten. Es geht darum, einen Ansprechpartner zu haben."

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"Man kann die Dringlichkeit gut abschätzen"

Wie die Beratung durch die diplomierten Pflegefachkräfte ablaufe, werde man in der Pilotphase analysieren: "Mit den elektronischen Expertensystemen kann man aber in der Regel die Dringlichkeit eines Falles gut abschätzen. Wenn das Abfrageschema passt, sehe ich das nicht als großes Problem." Auch bei der Rettung sitze am Telefon kein Arzt.

Der Wiener Ärztefunkdienst arbeitet mit einem ähnlichen Abfragesystem wie die neue Hotline. "Jährlich gibt es 125.000 Anrufe. In 60.000 Fällen kommt es zu Hausbesuchen durch den Ärztefunkdienst, Akutfälle werden an die Rettung weitergeleitet. Bei einem Teil genügt ein Hausarztbesuch am nächsten Tag." Auch hier erfolge die Aufteilung der Patienten über das Telefon.

Die neue Hotline könne auch dazu beitragen, dass "Patienten mit Schnupfen nicht ins Universitätsspital gehen, sondern gleich zum Hausarzt geleitet werden".