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Wie Stammzelltherapien sicherer werden

Therapien mit Stammzellen gelten als große Zukunftschance: "Mit ihnen ist die Hoffnung auf eine Medizin verbunden, die nicht nur repariert, sondern Gewebestrukturen und Organe tatsächlich regenerieren kann", sagt der Genetiker Univ.-Prof. Markus Hengstschläger, Leiter der Abteilung für Medizinische Genetik der MedUni Wien.

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Doch bisher konnte man sich die Ursachen für bestimmte Risiken – wie die Krebsentstehung beim Patienten – vielfach nicht erklären. Hengstschläger und Margit Rosner ist es jetzt gelungen, eine der Ursachen aufzuklären: Stammzellen können ein Protein aussenden, das Krebs auslösen kann.

Mit diesem Wissen könnten diese Therapien in Zukunft sicherer gemacht werden. Ihre Studie ist jetzt im Topjournal STEM CELL (eines der beiden meist zitierten Stammzellforschungs-Journale der Welt) erschienen.

KURIER: Was genau passiert bei dem von Ihrem Team aufgeklärten Mechanismus?

Markus Hengstschläger: Es war schon bisher bekannt, dass Stammzellen selbst zu Krebszellen entarten können. Aber was wir jetzt erstmals zeigen konnten: Dass sogenannte ,pluripotente‘ Stammzellen (sie können sich noch in alle Zelltypen entwickeln, Anm.) im Gewebe des Empfängers Veränderungen zum Beispiel in der Zellorganisation auslösen können, die zu Krebs führen. Das gilt aber nur für Stammzellen, die aus Embryos gewonnen werden oder die aus verschiedenen Körperzellen rückprogrammiert werden und damit Eigenschaften embryonaler Stammzellen haben. Es gilt nicht für die Stammzelltherapie, wie sie derzeit mit Stammzellen Erwachsener gegen Leukämie eingesetzt wird. Diese Therapie ist sicher.

Und wie kommt es zur Krebsentstehung?

Diese pluripotenten Stammzellen senden – wie wir jetzt zeigen konnten – ein Protein, ein Eiweiß, mit dem Namen ,lösliches E-cadherin‘ aus. Es übermittelt an jene Zellen, bei denen es im Empfänger ankommt, Signale, die letztlich zu den bösartigen Veränderungen führen. Damit haben wir erstmals eine Ursache für bisher nicht erklärbare Nebenwirkungen solcher Stammzelltherapien gefunden. Und solche gab es in der Vergangenheit immer wieder.

Wenn ein Patient z. B. einen Herzmuskelschaden hat: Würde dieser dann nicht sowieso aus den Stammzellen hergestellte Herzmuskelzellen bekommen?

Natürlich, aus Stammzellen sollen im Labor bestimmte Zellen des Menschen – etwa Herzmuskelzellen, Nervenzellen, Inselzellen – hergestellt werden. Werden sie dem Patienten transplantiert, sollen sie Gewebe und Organe regenerieren und ihre normale Funktion wiederherstellen zu können – so die Hoffnung. Das Problem ist nur, dass in dem transplantierten Zellgemisch in geringem Ausmaß auch noch nicht differenzierte Stammzellen enthalten sind, die diese Nebenwirkungen auslösen können.

Und was kann man dagegen tun?

Wir haben jetzt erstmals eine Erklärung für viele bisher unverstandenen Nebenwirkungen. Das bietet jetzt eine Chance, durch das Blockieren dieser von Stammzellen ausgeschickten Signale solche Therapien effizienter und sicherer für die Patienten zu machen. Unsere Ergebnisse haben wir ja auch bereits auf Kongressen präsentiert. Viele internationale Kollegen, die sie schon kennen, denken bereits darüber nach, dieses Wissen sofort für die Verbesserung der Therapien von Patienten einzusetzen – das heißt, unsere Grundlagenforschung fließt bereits in ganz konkrete Überlegungen für mehr Patientensicherheit ein.

Wo erhofft man sich künftig Anwendungsmöglichkeiten solcher Stammzelltherapien?

Das Spektrum reicht von Herzinfarkt über Krebs, Parkinson, Alzheimer und Diabetes bis zu einer Vielzahl verschiedener seltener genetischer Erkrankungen. Viele dieser neuen therapeutischen Ansätze werden bereits jetzt in klinischen Studien erprobt – die Hoffnungen auf neue Therapien sind groß.

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