Wie sich das Tempo beim Lesen steigern lässt
Von Ernst Mauritz
Es sind Gewohnheiten, die den Lesefluss bremsen können: Etwa, den Text innerlich mitzusprechen oder Textstellen mehrfach zu lesen. Schnelllese-Trainings – Apps, (Online-)Kurse, CDs, DVDs – sollen helfen, besser und schneller zu lesen. Die deutsche "Stiftung Warentest" hat getestet, welche Techniken funktionieren – und gibt Tipps, wie man zum Schnellleser wird.
- Rücksprünge vermeiden: Schweifen die Gedanken ab, muss man im Text zurückspringen und Passagen noch einmal lesen, was Zeit kostet. Schnelllese-Techniken trainieren das Vorwärtslesen und unterstützen es mit technischen Mitteln. "Das funktioniert auch, wenn der Leser seine Lektüre mithilfe des Mauszeigers auf dem Bildschirm, eines Stiftes oder Fingers auf Papier verfolgt", so die deutschen Experten. "Nach vor zu sehen geht umso besser, je schneller man liest." Der Leser muss sich auf diese Weise stark konzentrieren – es bleibt keine Zeit abzuschweifen. Allerdings sollten nicht alle Rücksprünge unterdrückt werden. Manche sind notwendig, um schwierige Texte zu verstehen.
- Sinngruppen erfassen: Beim Lesen springt der Blick über die Zeile. Das erkannt man auch an kleinen, ruckartigen Bewegungen, wenn man einem Lesenden in die Augen sieht. Der Blick macht bei "Normallesern" häufiger Halt, als notwendig wäre: "Das Auge kann nämlich mühelos mehrere Wörter gleichzeitig erfassen. Das spart beim Lesen viel Zeit. Zu üben, mehrere Wörter auf einmal wahrzunehmen, sie als Sinngruppe zu sehen, ist vermutlich die wirksamste Technik zur Lesebeschleunigung."
- Nicht leise mitlesen: Wer lesen lernt, spricht zunächst die Buchstaben laut aus und zieht sie zu Wörtern zusammen. Aber auch sehr erfahrene Leser "sprechen" Texte oft stumm mit – "Subvokalisation" wird das innere Mitsprechen beim Lesen genannt. Dieses "Sich selbst vorlesen" ist allerdings eine Lesebremse. "Beim Training von Schnelllese-Techniken verschwindet das Subvokalisieren als Nebeneffekt meist automatisch."
Nicht erwiesen ist, dass man den Bereich erweitern kann, in dem das Auge Buchstaben erkennt (Blickspanne). Zwar werden Übungen angeboten, bei denen man Figuren beim Wachsen zusehen soll, um damit die Blickspanne zu erweitern: "Aber die Blickspanne ist physiologisch vorgegeben und nicht beliebig veränderbar."
Schnell und gründlich
"Mit Schnelllesen ist nicht nur ein reines Überfliegen gemeint", sagt Ralph Radach, Professor für Psychologie an der Bergischen Universität Wuppertal. "Mit bestimmten Techniken kann man schnell lesen und den Text trotzdem gründlich verstehen." Er halte es für realistisch, das individuelle Lesetempo zu verdoppeln: "Schnelllesen ist mit Sicherheit ein Zukunftsthema." Wobei das nicht bedeutet, dass man dann immer schnell liest: "Es spricht ja nichts dagegen, weiterhin manchmal langsam zu lesen – zum Beispiel, um einen Roman in Ruhe zu genießen."