Wie man mit dem Süßkraut Stevia kocht
Von Ingrid Teufl
Aller Anfang ist schwer. Und ungewöhnlich. Denn statt pudrigem Zucker verrühren wir ein paar Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit in die Teigmasse. Kursleiterin Claudia Nichterl beobachtet genau: „Vorsicht! Die richtige Dosierung hinzubekommen, ist anfangs schwierig.“
Dennoch – die erste Hürde ist genommen. Seit Stevia im Dezember 2011 in der EU als Süßungsmittel zugelassen wurde, wird die Ernährungswissenschaftlerin mit Fragen zur Verwendung des südamerikanischen Krauts mit immens hoher Süßkraft, aber kaum Kalorien, überhäuft. „Wer träumt nicht vom Schlemmen ohne schlechtes Gewissen und ohne dabei an Kalorien denken zu müssen?“
In Nichterls „Essenz“-Kochstudio in Wien hat sich ein Grüppchen Hobby-Köchinnen – darunter eine KURIER-Redakteurin – eingefunden. Am Speiseplan: Süßes. Von Schokokuchen und Muffins über Fruchteis mit Vanillecreme bis zum Reisauflauf mit Früchten.
Wir lernen: Stevia ist nicht gleich Stevia. Die Blätter der Pflanze haben zwar unseren Begrüßungstee gesüßt, aber fürs Backen weisen Granulat oder Flüssigextrakt bessere Eigenschaften auf. Nichterl: „Besonders Granulat eignet sich für alle Speisen, die erhitzt werden. Man verwendet ein Zehntel der angegebenen Zucker-Menge.“ Aber nicht in allen Mehlspeisen kann der Zucker ersetzt werden. „In vielen Speisen beeinflusst er die Konsistenz. Im Biskuit lockert Zucker den Teig und gibt ihm Volumen.“
Beim Anrühren von Schokokuchen- und Muffin-Teig merken wir, was Claudia Nichterl meint. Die Konsistenz ist „etwas gummiartig“. Später wird sich zeigen, dass das keine Auswirkungen auf den fertigen Kuchen hat. Als Praxistipp rät
Nichterl zu einem Dotter zusätzlich – oder das Eiklar als Schnee unterzuheben. Das bewährt sich auch bei der Reisauflaufmasse, die im Backrohr prompt flaumig aufgeht. Und im direkten Vergleich stellen wir fest: „Eier lassen sich mit Granulat besser schaumig schlagen als mit Flüssigextrakt.“
Ihren Höhepunkt erreicht unsere Fact-Finding-Mission naturgemäß beim Verkosten. Das Ergebnis polarisiert: süß –, aber eben nicht zuckersüß. „Ich bin überrascht, wie sehr ich auf den Zuckergeschmack konditioniert bin“, meint eine der Köchinnen. „Mir fehlt der Zuckergeschmack“, kommentiert eine andere. Die Dritte sieht es pragmatisch: „Man muss sich einfach darauf einstellen. Da gewöhnt man sich dran und es passt.“
Geschmacksträger
Am besten finden wir Fruchtiges – Muffins, Eis, Reisauflauf. Nichterl überrascht das nicht. „Die Fruchtsüße übertönt den Stevia-Nachgeschmack.“ Mit Stevia gesüßtes Schlagobers fällt durch gar keinen Geschmacksunterschied auf. Das liege am geschmacksverstärkenden Fett, sagt Nichterl. Es wäre einen Test auf der nächsten Familienfeier wert, ob der Unterschied bemerkt wird.
Und wie schlägt sich das süße Menü auf den Magen? Weniger als Zucker jedenfalls. Eine Hobbyköchin bringt es auf den Punkt: „Trotz der vielen Süßspeisen fühlt sich der Magen wohl.“
INFO: Der nächste Stevia-Kochkurs findet am 3. April statt (Kosten 90 €).
0681/20 40 84 85 oder www.essenz.at