Wie ein Alzheimerforscher sein Gehirn fit und aktiv hält
Von Ernst Mauritz
Die Morgengymnastik von Konrad Beyreuther ist speziell: "Ich mache Kniebeugen und zähle gleichzeitig rückwärts: Von 700 ziehe ich abwechselnd sieben und sechs ab – immer nur sieben, das wäre zu einfach. Ich weiß, dass am Ende vier herauskommen sollte. Obwohl ich das schon lange mache, schaffe ich es trotzdem nur zirka vier Mal die Woche."– Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Beyreuther, 74,ist Molekularbiologe und einer der weltweit führenden Alzheimerforscher. Er war entscheidend an der Entdeckung der charakteristischen Eiweiß-Ablagerungen (Amyloid-beta) bei der Alzheimererkrankung beteiligt. Nach wie vor arbeitet er als Gründungsdirektor am "Netzwerk Alternsforschung" an der Uni Heidelberg.
KURIER: Wie kann man sein Demenzrisiko senken?
Warum spielen Blutdruck oder Gewicht im mittleren Alter – 40, 50 Jahre – so eine Rolle?
Wir wissen heute, dass es Menschen mit einer bestimmten Variante eines Gens gibt – sie heißt APoE4 –, die erkranken zehn bis 20 Jahre früher an Alzheimer. Aber nur dann, wenn sie im mittleren Lebensalter einen hohen Blutdruck hatten. Die Vorlaufzeit einer Demenzerkrankung vor dem Auftreten der ersten Symptome beträgt 20 bis 30 Jahre. Wenn Sie einmal 70 sind, haben Sie – falls Sie alte Eltern hatten – eine 70-prozentige Chance, auch so alt zu werden, der Lebensstil spielt da kaum noch eine Rolle. Aber mit 40 hängt es nur zu rund 25 Prozent von ihrer Erbausstattung ab, wie alt sie werden. In diesem Alter müssen Sie beginnen gegenzusteuern.
Worauf achten Sie bei Ihrer Ernährung?
Bei Alzheimer-Patienten hat man zu wenig Folsäure (vor allem in grünem Blattgemüse, Anm.) und zu wenig Omega-3-Fettsäuren nachgewiesen, die in Fisch, Meeresfrüchten und Pflanzenölen wie Leinöl, Rapsöl sowie allen Nussölen vorkommen. Diese leichtflüssigen Öle sind wichtig, damit die Nervenzellen im Gehirn Kontakte knüpfen können und beweglich bleiben. Wer mindestens einmal in der Woche Fisch oder Meeresfrüchte isst und reichlich Salatöle verwendet, reduziert sein Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorn sind sehr wichtig, bei Obstsorten mit hohem Fruchtzuckeranteil beschränke ich mich, ich esse nie mehr als einen Apfel am Tag. Denn laut neuen Studien reagiert die Fruktose mit Eiweißen im Körper und macht sie inaktiv, das kann kognitive Probleme im Alter begünstigen. Tierisches Fett sollte man nur in Maßen essen , ich bevorzuge deshalb Magermilchprodukte.
Nehmen Sie Nahrungsergänzungsmittel?
Es wurde erst kürzlich eine Studie veröffentlicht: Wer sich so wie oben beschrieben ernährt, benötigt keine Präparate. Ich reise viel und ernähre mich dabei nicht sehr ausgewogen: Deshalb nehme ich Omega-3-Kapseln sowie 15 Milligramm Vitamin E aus Weizenkeimextrakten und Vitamin C. Eine ausreichende Versorgung mit diesen beiden Vitaminen könnte das Alzheimerrisiko senken.
Sie sind mit 74 noch voll berufstätig: Auch ein Schutzfaktor?
Aufhören zu arbeiten und nichts geistig Anregendes mehr zu tun ist schlecht. In der Pension muss man sich andere Aufgaben suchen, soziale Tätigkeiten, ein Haustier oder Kontakt zu Kindern: Studien zeigten, dass viele Hundertjährige ein besonders gutes Verhältnis zu ihren Enkeln und Urenkeln hatten. Es gibt nichts Besseres als Kinder, die einem ein Loch in den Bauch fragen.
Was empfehlen Sie noch?
Ausreichen zu schlafen – ich versuche auf sieben Stunden zu kommen –, weil im Schlaf waschen wir die alzheimertypischen Eiweißablagerungen aus, und möglichst wenig Stress, der schadet auch dem Gehirn. Die beste aller Freizeitaktivitäten ist tanzen: Sie hören Musik, bewegen sich und reden dabei noch. Das fordert Ihr Gehirn!
Hier finden Sie weiterführende Informationen:
Demenz - viele Angehörige fühlen sich allein gelassen
Zehn Prozent aller Menschen über 65 Jahre und ein Drittel der über 80-Jährigen haben eine Alzheimer-Demenz. Insgesamt sind in Österreich rund 130.000 Menschen von einer Demenz betroffen. An der MedUni Wien läuft eine Studie für die Entwicklung einer Impfung gegen eine der beiden diskutierten Krankheitsursachen von Alzheimer: Veränderte Tauproteine im Gehirn. Die andere sind Ablagerungen des Eiweißes Amyloid-beta. Sind die Tau-Proteine krankhaft verändert, kommt es zu Funktionsstörungen, die zum Tod der Nervenzellen führen.
Eine weiterführende Studie (Phase II) ist bereits im Laufen, so Dal-Bianco. Allerdings wird es bis zu einer möglichen Zulassung noch Jahre dauern.
„Entgleisung“
Die Impfung ist für bereits Erkrankte gedacht und soll die krankmachende Form des Tau-Proteins reduzieren. Dal-Bianco: „Die Tau-Proteine sind so etwas wie die Schwellenschrauben bei den Schienen im Zugverkehr. Geraten die ,Schrauben‘ aus der Verankerung, führt das zur Entgleisung. Genau das passiert auch bei der Alzheimer-Erkrankung.“ Der Stofftransport in den Nervenzellen entgleist, und diese Störung ist mitverantwortlich für die Entstehung der Krankheit.
„Wir können Alzheimer derzeit weder verhindern noch heilen, aber wir können den Ausbruch der Krankheit durch die richtigen Maßnahmen ins hohe Alter verschieben“, so Dal-Bianco. „Bewegungsträge Menschen haben ein um 80 Prozent erhöhtes Alzheimer-Risiko im Vergleich mit körperlich aktiven Menschen.“ Weltweit leben derzeit 46 Millionen Menschen mit Demenz, bis 2050 soll sich laut Welt-Alzheimer-Bericht 2015 die Zahl fast verdreifachen. Doch möglicherweise bleibt in wohlhabenden Ländern der Anstieg aus. Beyreuther: „Die Menschen bewegen sich mehr, leben bewusster, sind besser informiert – ich glaube nicht, dass die steigenden Prognosen auf Westeuropa zutreffen.“
Buchtipp:
Lesen Sie morgen:
Interview mit der Journalistin Chantal Louise über ihr Buch „Ommas Glück: Das Leben meiner Großmutter in ihrer Demenz-WG.“