Wissen/Gesundheit/Gesund

Wie die US-Zuckerindustrie Fette gezielt schlecht machte

Die US-Zuckerindustrie hat in den 1960er-Jahren renommierte Harvard-Wissenschafter bezahlt, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzerkrankungen herunterzuspielen und stattdessen Fett als den Schuldigen auszumachen.

Das zeigen historische Dokumente, die von einem Forscher der University of California, San Francisco, entdeckt und im Fachjournal JAMA Internal Medicine veröffentlicht wurden. Demnach könnte über fünf Jahrzehnte hinweg die Forschung über die Rolle von Ernährung im Zusammenhang mit Herzerkrankungen – inklusive vieler heutiger Ernährungsempfehlungen – von der Zuckerindustrie beeinflusst sein.

"Falsches Gleis"

"Sie waren in der Lage, die Diskussion über Zucker über Jahrzehnte auf ein falsches Gleis zu führen", sagt Studienautor Stanton Glantz in der New York Times. Er hatte in den 90er-Jahren auch den Einfluss der Tabakindustrie auf die Forschung aufgedeckt.

Die Dokumente zeigen, dass die sogenannte "Sugar Research Foundation" – ein Vorläufer des heutigen Industrieverbandes der US-Zuckerindustrie – drei Harvard-Forschern eine Summe im heutigen Wert von rund 50.000 US-Dollar für eine Übersichtsarbeit zum Thema Zucker, Fett und Herzkrankheiten bezahlt hatte. Diese erschien 1967 im New England Journal of Medicine.

Zwei Denkschulen ursprünglich

Bis zum Erscheinen des Artikels standen sich in den USA zwei Meinungen ziemlich gleichberechtigt gegenüber: Die eine führte den starken Anstieg von tödlichen Herzinfarkten in den USA auf den steigenden Konsum von Zucker und zuckerhaltigen Getränken zurück.

Die andere sah den hohen Verzehr von gesättigten Fettsäuren als Ursache für einen Anstieg des Cholesterinspiegels – eine Hauptursache für Herz-Gefäßerkrankungen.

In der Übersichtsarbeit verschweigen die Autoren "keinesfalls, dass neben dem Konsum von gesättigten Fettsäuren auch der Zuckerverzehr international mit der Häufigkeit eines Herzinfarkts assoziiert ist", schreibt das deutsche Ärzteblatt.

Heruntergespielt

Doch im Fazit ihrer Arbeit kommen sie "auf der Basis von epidemiologischen, experimentellen und klinischen Beweisen" zu dem Schluss, dass die Vermeidung von gesättigten Fetten und cholesterinhaltigen Nahrungsmitteln am ehesten in der Lage wären, den Cholesterinwert zu senken, der für den Anstieg der Herzinfarktrate verantwortlich ist. "Von einer möglichen Rolle des Zuckers ist im Fazit der Übersicht nicht mehr die Rede", so das Ärzteblatt.

Nach dem Erscheinen des Reviews erlosch die Debatte über Zuckerkonsum und Herzkrankheiten, während fettarme Ernährungsformen die Unterstützung vieler Gesundheitsbehörden erhielten, so Studienautor Glantz in der New York Times.

In einer Stellungnahme der "Sugar Association" gegenüber der New York Times gesteht diese auch ein, dass die Transparenz damals zu gering gewesen sei, von der Industrie geförderte Forschung grundsätzlich aber eine wichtige Rolle in der wissenschaftlichen Debatte spiele.

Heutige Sichtweise

Heute werden genetische Faktoren, generell zu hoher Kalorienkonsum (zu fett und zu süß) mit Übergewicht als Folge und Bewegungsmangel als wichtige Faktoren für hohe Cholesterinwerte und für Herzinfarkt gesehen.

Auch die Rolle von zu viel Zucker wird heute kritisch gesehen: Kohlenhydrate vermitteln im Vergleich zu Fett nur geringe Sättigungsimpulse. Und zu viel Zucker (besonders Fruchtzucker, z. B. aus Maissirup) stimuliere den Appetit und führe zu einer Fettumverteilung in den Bauch und in die Leber – es kann zur Fettleber kommen, warnen Experten.

Was Harvard heute sagt

"Unsere heutigen Daten zeigen, dass raffinierter Zucker und besonders zuckerhältige Getränke ein Risikofaktor für Herzgefäßerkrankungen sind", sagt Walter Willett vom Department für Ernährung der Harvard T. H. Chan School of Public Health in der New York Times. "Aber auch die Art des Fettes in der Ernährung spielt eine Rolle." Besonders gesättigte Fettsäuren von tierischen Fetten gelten - in hohen Mengen - als Risikofaktor für die Herzgesundheit.