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Wie wirksam pyhsikalische Medizin ist

Es ist eine klassische Situation, mit der Fachärzte für Physikalische Medizin und Rehabilitation kürzlich am SMZ-Ost ("Donauspital") konfrontiert waren: Eine ältere Dame wurde nach einem Sturz wegen eines Oberschenkelbruchs aufgenommen. "Der wurde perfekt versorgt, aber am Tag nach der Operation klagte die Patientin über Schmerzen in der Schulter", so Tatjana Paternostro-Sluga, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Donauspital in Wien.

Die Physikalischen Mediziner erkannten, dass ein bisher nicht behandelter kleiner Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (auch eine Folge des Sturzes) die Ursache war. Medikamente als Akutmaßnahme, kombiniert mit Wärmebehandlung und Elektrostimulation machten die Patientin innerhalb von zwei Tagen schmerzfrei.

Abklärung vor einer Operation

"Ohne derart rasches Eingreifen sei das Risiko groß, dass sich der Schmerz verselbstständigt und im schlimmsten Fall eine weitere Operation notwendig ist", sagt Paternostro-Sluga im Vorfeld der Jahrestagung der Fachgesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation. Physikalische Medizin – von Massagen über Elektro- oder Wärmetherapie bis hin zu Trainings- und Übungstherapie – könne viele Operationen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates überflüssig machen. "Viele Chirurgen schicken – bevor sie einen Operationstermin ansetzen – Patienten zu uns: Wir klären ab, ob physikalische Maßnahmen ausreichen."

An erster Stelle

Die US-Ärzteorganisation American College of Physicians empfiehlt, bei Beschwerden des Muskel- und Skelettsystems vorrangig auf nicht medikamentöse Behandlungen zu setzen. "Ziel ist es, die Patienten langfristig ohne Medikamente schmerzfrei zu machen", sagt Richard Crevenna, Leiter der Uni-Klinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien (AKH Wien). Eine Studie der MedUni Wien hat gezeigt, dass bereits zehn Therapieeinheiten große Effekte haben: Bei Patienten mit Beschwerden im Bewegungsapparat ging das Schmerzempfinden im Mittel um 41 Prozent zurück, die Beweglichkeit verbesserte sich um 34 Prozent – und das weitgehend nebenwirkungsfrei. Sechs von zehn Patienten benötigten keine Medikamente mehr.

Zu wenig Behandlungskapazitäten

"Jeder Euro für die Physikalische Medizin spart zwei Euro an Folgekosten, etwa durch weniger Krankenstände", sagt Friedrich Hartl, Obmann der Physikalischen Mediziner in der Bundesfachgruppe der Österr. Ärztekammer. Allerdings: Die Behandlungskapazitäten sind schon derzeit knapp und werden – durch den Anstieg der Zahl der älteren Menschen – noch knapper werden (siehe Infokasten). Schon jetzt gebe es eine eklatante Unterversorgung mit langen Wartezeiten.

Dadurch würden notwendige Therapien zum Teil nicht durchgeführt. Crevenna: "Die Physikalische Medizin ist de facto als Mangelfach zu sehen." Dies ist aber zum Nachteil der Patienten. Christian Wiederer, Klinikum am Kurpark Baden: "Mit den modernen Methoden der Physikalischen Medizin gelingt es heute bei neun von zehn Patienten, ihre individuellen Therapieziele zu erreichen."


Der Bedarf steigt stark

Patientenzahlen

Seit 2000 ist die Zahl der Patienten bei Physikalischen Medizinern im Alter von 45 bis 64 Jahren um 28 Prozent gestiegen, die der 65- bis 74-Jährigen um 26 Prozent. Bis 2030 wird der Anteil der Menschen über 65 Jahre um weitere 31 Prozent ansteigen.

Versorgungsprognosen

Der Bedarf an Therapieangeboten wird bis 2030 im akut stationären Bereich der Spitäler um 22 Prozent, im Bereich der Krankenhausambulanzen um 18 Prozent und außerhalb der Spitäler um 15 Prozent steigen.