Warum Pflanzenöle nicht immer besser sind
Von Ernst Mauritz
Es ist eine kuriose und auch menschliche Geschichte: Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre untersuchten US-Forscher in Minnesota die Auswirkungen von zwei Ernährungsweisen: Eine Gruppe von mehr als 9400 Studienteilnehmern ersetzte tierische weitgehend durch mehrfach ungesättigte, linolsäurereiche Pflanzenfette (etwa Weizenkeim-, Maiskeim-, Sonnenblumen- oder Rapsöl). Die andere blieb bei ihrem hohen Konsum an gesättigtem tierischem Fett.
Ergebnis nach viereinhalb Jahren: Ja, die Pflanzenölgruppe hatte einen deutlich niedrigeren Cholesterinspiegel, aber, nein, das Risiko für Herzkrankheiten war nicht zurückgegangen, und auch die Lebenserwartung nicht angestiegen. Die Gruppe mit der stärksten Cholesterinreduktion hatte sogar ein leicht erhöhtes Sterberisiko im Untersuchungszeitraum. Das passte aber so gar nicht in die damals (und weitgehend bis heute) vorherrschende öffentliche Meinung, dass weniger Cholesterin einen auch automatisch gesünder machen soll. Und deshalb könnten die Forscher mit der Veröffentlichung gezögert haben, sagte jetzt ein damals beteiligter Statistiker: „Jeder glaubte damals, Cholesterin ist der Schuldige. Und dann haben das unsere Daten nicht gezeigt“, zitiert ihn die Washington Post.
Erst jetzt werteten US-Forscher der Universität von North Carolina die Daten neu aus (auch mit besseren Programmen als damals) und veröffentlichten die Ergebnisse im British Medical Journal. Ihr Schluss aus dieser und anderen Studien: „Die unvollständige Publikation bisheriger Studiendaten hat dazu beigetragen, dass die Vorteile eines Austausches von tierischem Fett durch linolsäurereiches Pflanzenfett überschätzt wurden.“
Kein Freibrief
„Das heißt jetzt nicht, dass ein hoher Konsum von tierischem Fett bedenkenlos ist“, sagt Univ.-Prof. Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. „Gleichzeitig ist aber auch eine beliebige Erhöhung des Konsums von Pflanzenfett nicht unproblematisch. Sie sind kein Allheilmittel.“
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren werden im Körper leicht oxidiert – die Wahrscheinlichkeit, dass dabei freie Radikale entstehen, die Zellen schädigen können, ist höher als bei gesättigten Fettsäuren. „Bei zu hohem Konsum können dadurch die an sich günstigen ernährungsphysiologischen Eigenschaften vieler pflanzlicher Fette ins Gegenteil verkehrt werden.“
30 Prozent der Gesamtenergieaufnahme sollten aus Fetten stammen, je zu einem Drittel aus gesättigten tierischen sowie einfach und mehrfach ungesättigten Pflanzenfetten. „In Österreich essen wir insgesamt zu viel Fett, aber im Verhältnis zu wenig aus pflanzlichen Quellen. Das heißt aber nicht, dass man von diesen jetzt beliebig mehr konsumieren kann. Vielmehr muss man die tierischen Fette reduzieren.“ Viele würden aber nicht die tierischen durch pflanzliche Fette ersetzen, sondern einfach den Konsum pflanzlicher Fette weiter erhöhen: „Dieses Zuviel ist das Hauptproblem.“ Gerade bei Ernährungsstudien sei es schwierig, Effekte auf nur einen Faktor wie etwa den Fettkonsum zurückzuführen: „Es gibt viele Einflüsse, die man schwer berücksichtigen kann.“
Nicht alles untersucht
Etwa beim relativ guten Abschneiden der tierischen Fette in der Studie: „Die langfristigen Auswirkungen des hohen Konsums nach dem Studienzeitraum wurden nicht untersucht, auch nicht die Effekte auf andere Krankheiten.“
Nach wie vor sei es ein großes Problem, dass Studien, die nicht der vorherrschenden Meinung entsprechen, „viel kritischer begutachtet und auch deutlich weniger zitiert werden“, sagt König. „Aber bei den Fettsäuren ist es einfach so, dass wir unser altes Bild relativieren müssen: Sie bringen viel – aber nicht so viel, wie man lange geglaubt hat. Der Trend zu ungesättigten Fettsäuren hat seine Grenzen – genauso wie die Verdammung der gesättigten.“