Warum ein Herzinfarkt oft nicht ernst genommen wird
Von Ingrid Teufl
Die Fortschritte in der Herzmedizin sind eindrücklich: Seit dem Jahr 1970 ist die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um 60 Prozent zurückgegangen. „Die moderne Herzmedizin trägt maßgeblich dazu bei, dass wir immer älter werden“, sagt Andrea Podczeck-Schweighofer, Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). Doch steigender wirtschaftlicher und sozialer Druck sowie eine zunehmende Sorglosigkeit der Patienten drohen diese Erfolge zu neutralisieren. Umso wichtiger sei es, gegenzusteuern.
Bei der Jahrestagung der heimischen Kardiologen in Salzburg dieser Tag rückt daher dieses Thema ebenfalls in den Fokus. Die Bedeutung von Stress auf die Herzgesundheit muss noch viel stärker berücksichtigt werden, betont Podczeck-Schweighofer. „Stressgefährdete reagieren anders. Es gibt eindeutige Zusammenhänge zwischen psychischer Belastung und Herzgesundheit.“ Das kann sogar tödlich enden, zum Beispiel durch einen plötzlichen Herztod.
Herzklappen-Defekte nehmen zu
Apropos Belastungen: Weil die Menschen immer älter werden, muss das Herz länger funktionieren – mit neuen Herausforderungen. „Herzklappen-Defekte werden dadurch immer häufiger – die Behandlung hat sich in den vergangenen Jahren radikal weiterentwickelt“, berichtet Univ.-Prof. Christian Hengstenberg, Leiter der Klinik für Innere Medizin II, MedUni Wien. „Wir können heute auch Patienten behandeln, die bisher nur mit einem sehr hohen Risiko an ihren Herzklappen-Schäden operiert werden konnten. Anstatt mit offener OP und an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, sind sehr oft minimal-invasive Eingriffe möglich. Der Katheter wird dabei über die Leistenvene zum Herz geführt, wo etwa undichte Herzklappen mittels speziellem Clip verschlossen oder überhaupt durch eine neue ersetzt werden. „Neuere Daten zeigen, dass diese Interventionen mindestens gleichwertige Ergebnisse liefern, wie OPs.“
Falsche Sicherheit
Durch die immer besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten wie Herzinfarkt-Akutversorgung, minimal-invasive Herzkatheter-Eingriffe oder Medikamenteninnovationen wiegen sich allerdings viele Patienten auch in falscher Sicherheit. „Es gibt immer mehr Patienten, die mit einem Infarkt ins Spital kommen und wenige Tage später das Krankenhaus verlassen – ohne das Bewusstsein, eine schwere Erkrankung gehabt zu haben“, beklagt Podczeck-Schweighofer. „Untersuchungen zeigen, dass etwa die Hälfte der Infarktpatienten nach einem Jahr die verschriebenen Medikamente nicht mehr einnimmt.“
Daher muss zukünftig noch stärker auf Prävention geachtet werden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die Todesursache Nr. 1. Derzeit steigen die Todesfälle sogar wieder leicht an. Ein Grund dafür sind Fehlernährung, Übergewicht und etwa Rauchen. Andere Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hoher Blutzuckerspiegel bleiben zudem lange unerkannt.