Warum das Büro ein Dschungel ist
Jahrelang hat Gregor Fauma im Rahmen von Coachings Körpersprache und Verhalten in Hierarchien thematisiert. Und weil immer wieder die Frage nach passender Literatur kam, hat der Verhaltensforscher und Evolutionspsychologe beschlossen, alles selbst zusammenzufassen, "so dass es für arbeitende Menschen verständlich und interessant ist". Jetzt ist Unter Affen. Warum das Büro ein Dschungel ist erschienen. Fauma (Bild unten) weiß: "In uns stecken viele Verhaltensweisen, die auf eine Zeit zurückgehen, die wir lange hinter uns gelassen haben. Man denkt, man ist ein Geisteswesen, kann frei entscheiden und reagiert doch wie die Urmenschen."
Fauma: Wenn es zu Zeiten von Homo erectus eine Bedrohung gab, war keine Zeit, einen Sesselkreis zur Problemlösung zu bilden. Man musste mit seiner Entscheidung schnell sein. Die Abkürzung bei der Entscheidungsfindung läuft über die Emotionen, über den Flucht- oder Kampf-Reflex. Der Körper wird entweder mit jenen Stoffen überflutet, die uns gut kämpfen oder schnell laufen lassen. Nach ein paar Millisekunden entscheiden wir: Kampf oder Flucht. Dann haben wir bereits eine selektive Wahrnehmung. Wenn wir kämpfen wollen, nehmen wir nur jene Sinnesreize wahr, die man in der Situation braucht, genauso beim Flüchten. Alles andere wird ausgeblendet. Und das macht uns heute Probleme – wir blenden alle Umgebungsparameter aus, die wir aber für eine gute Entscheidung bräuchten. Stichwort Krisenmanagement: Ein Geschäftsführer sieht im Lichte seiner Emotionen eine Lösung für ein Problem und rennt darauf zu. Er kann emotional die anderen Lösungen gar nicht sehen, die werden ihm von der Biologie vernebelt. Die Frage ist, ob dieses Verhalten heute noch zeitgemäß ist. Sollten wir nicht mal den Schritt machen, Homo sapiens zu sein – der weise Mensch? Wir reagieren – sobald die Emotionen das Kommando übernehmen – alles andere als sapiens.
Was regt uns besonders auf?
Wir springen bei Provokationen an, wenn es um Status geht, vor allem, wenn uns vor Dritten Kompetenz abgesprochen wird. Oder wir nicht so behandelt werden, wie wir meinen, dass es uns zustünde. Dann werden wir sehr emotional, aber: Heißes Hirn denkt nicht gut.
Kann man sich dagegen wehren?
Ja, aber es braucht viel Selbstbeherrschung und Selbsterfahrung. Wenn die Wut aufsteigt, kann man bewusst Gegenstrategien fahren. Abwarten und abkühlen. Man bekommt vielleicht einen neuen Dienstvertrag angeboten, den man als Frechheit empfindet und möchte seinem Gegenüber ein Glas Wasser ins Gesicht schütten. Besser ist es, zu sagt: "Darf ich den Vertrag mit nach Hause nehmen? Ich will darüber schlafen, mit meinem Partner darüber reden." Die Emotionen brauchen wir in einem Hochhaus mit viereinhalbtausend Mitarbeitern nicht mehr. Da ist nicht mein Leben gefährdet, sondern höchstens mein Bonus.
In Ihrem Buch nehmen Sie den Leser mit in ein Unternehmen.
Ja, beginnen wir beim Parkplatz: Die Autos stehen unterschiedlich weit weg – je höher das Einkommen, desto näher beim Eingang. Worüber wird gestritten? Wer hat das größere Firmenauto und Büro, wer das bessere Handy. Je weiter man hinaufkommt, desto heller wird es, desto dicker sind die Teppiche, größer die Monitore und weniger Menschen arbeiten dort. Es geht immer um Ressourcen-Zugang und Wohlfühlen im Büro.
Reden wir darüber, was eine gute Führungskraft ausmacht.
Eine, die dafür sorgt, dass Frieden im Team herrscht, dass jeder den Platz einnimmt, der ihm gebührt. Das geht mit Zuckerbrot und Peitsche. Die Peitsche bekommt, wer versucht, schneller weiter nach oben zu kommen. Da muss das Alphamännchen/-weibchen eingreifen und denjenigen zurückstutzen. Dann beruhigt sich die Truppe wieder, die Cotisolwerte gehen runter. Eine Führungskraft hat das Problem, dass sie Grenzen setzen muss, an denen Mitarbeiter ständig kratzen. Sie ist ständig mit überwachen und sanktionieren beschäftigt. Das kann man sich mit einer sehr unsympathischen Strategie sparen: Ich verhalte mich wie ein verrückter Hund ("Mad Dog Strategy") – heißt: Es ist nicht vorhersehbar, wann ich beiße und wann nicht. Dazu muss man nur ein paar Mal ein Exempel statuieren – jemanden wegen einer minimalen Grenzüberschreitung anbeißen und ein anderes Mal unglaublich großzügig sein. Botschaft: Niemand weiß, was er kriegt. Und weil Mitarbeiter Angst haben, gebissen zu werden, nähern sie sich der Grenze gar nicht mehr.
Und wer ist der Boss?
Im Kindergarten hat man gemessen, dass der, der am längsten angesehen wird, auch das meiste Ansehen (sic!) hat. Der war der Chef und er hatte zwei Vize, die wieder ihre Unterläufer hatten. Chefs haben also "Ansehen".
An der Geschwindigkeit, mit der sich Mitarbeitern durch die Gänge des Büros bewegen, lässt sich auch einiges ablesen.
Ja, je höher Einkommen und Ansehen, desto schneller geht ein Mensch. Nur die ganz an der Spitze gehen wieder so langsam wie die ganz unten. Der Vorstand bummelt durchs Unternehmen wie eine Reinigungskraft. Botschaft: Ich habe es nicht nötig. Das lässt sich auch als Signal verwenden: Mit zackigem Gehen durch die Gänge versuche ich, meine Wichtigkeit zu unterstreichen. Es geht immer um Rangordnung! Je höher die Männer im Status stehen, desto öfter kann man beobachten, dass sie in eine zweite Fortpflanzungsrunde gehen oder sogar in eine dritte. Die alten Direktoren oder Popstars, die mit 70 noch einmal Vater werden, findet niemand verwerflich. Wenn man so weit oben ist, kann man es sich leisten.
Können sich viele Menschen gegen die urzeitlichen Reflexe wehren?
Nein, das können nur jene, die sich für Selbsterfahrung interessieren und an ihrer Persönlichkeit weiter arbeiten wollen.
Da haben wir also ein Problem?
Ja, da haben wir ein Problem.
Buchtipp
Gregor Fauma, „Unter Affen.
Warum das Büro ein Dschungel ist“,
Goldegg Verlag,
19,95€