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Warum Mehrlingsgeburten so riskant sind

Nach der Geburt der Vierlinge der 65-Jährigen Annegret R. stellen sich viele Fragen zum Gesundheitszustand der Kinder. „Das sind vier hochzerbrechliche Babys“, sagte Univ.-Prof. Wolfgang Henrich, Direktor der Geburtsmedizin der Berliner Charité, wo Neeta, Dries, Bence und Fjon zur Welt kamen. Die drei Buben und ein Mädchen wurden in der 26. Schwangerschaftswoche geboren und gelten wie alle Kinder, die zwischen der 23. und 27. Woche entbunden werden, als extrem unreif. Eine Schwangerschaft dauert normalerweise 40 Wochen, die 23. Woche gilt als „Grenze der Überlebensfähigkeit“.

In den vergangenen Jahren gab es zwar große Fortschritte in der medizinischen Betreuung von Frühgeborenen - so wurde etwa eine Substanz entwickelt, die hilft, die Lungenreife zu fördern, sodass nicht alle Kinder künstlich beatmet werden müssen - dennoch sind die Risiken, insbesondere bei Mehrlingen hoch. „Selbst wenn Mehrlinge in der gleichen Schwangerschaftswoche wie Einlinge auf die Welt kommen, ist das Risiko, dass sie nicht überleben zwei- bis dreimal höher. Bei einem Drilling ist es bereits sechsmal so hoch“, sagt Univ.-Prof. Angelika Berger, Leiterin der Klinischen Abteilung für Neonatologie am AKH Wien.

Immer zu früh

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Das Risiko einer Frühgeburt steigt mit der Zahl der Mehrlinge, wobei bereits Drillinge immer zu früh geboren werden. Berger: „Zwillinge kommen im Schnitt bereits in der 36. Woche zur Welt, Drillinge in der 32. Woche. Mit jeder sinkenden Schwangerschaftswoche steigt das Risiko für entwicklungsneurologische Beeinträchtigungen.“ Auch die Anzahl der Kinder in einer Schwangerschaft erhöht die Wahrscheinlichkeit für Entwicklungsprobleme. Mehrlinge, die fast immer zu früh geboren werden, sind also besonders gefährdet.

„Werden Risikofrühgeborene unter 1500 Gramm in einem Zentrum betreut, das die bestmögliche medizinische Versorgung bietet, bleiben nur bei unter fünf Prozent bleibende motorische Beeinträchtigungen. Höher ist allerdings der Anteil geistiger Beeinträchtigungen“, erklärt Berger.

Nicht abschätzbar

30 Prozent der Kinder hätten eine leichte geistige Beeinträchtigung, zehn Prozent eine schwere. Die Vierlinge von Annegret R. kamen mit einem Gewicht zwischen 655 und 960 Gramm auf die Welt und sind zwischen 30 und 35 Zentimeter groß. Laut den Ärzten haben sie gute Überlebenschancen. Welche und ob sie bleibende Beeinträchtigungen haben, kann jetzt noch nicht abgeschätzt werden.

Wie gut sich motorische und geistige Fähigkeiten entwickeln, hänge stark von der Nachbetreuung der Kinder ab. An der MedUni Wien gibt es beispielsweise ein Nachsorgeprogramm, bei dem die Kinder bis zum sechsten Lebensjahr regelmäßig ambulant untersucht werden. Ziel ist, Defizite frühzeitig zu entdecken und Therapien einzuleiten, etwa bei Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefiziten oder motorischen Problemen.

Reproduktionsmedizin

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Eine große Rolle bei Mehrlingsgeburten spielt die Reproduktionsmedizin. Bei künstlicher Befruchtung würden häufig drei bis vier befruchtete Eizellen eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit für eine Einnistung zu erhöhen. Damit erhöht sich allerdings auch die Wahrscheinlichkeit für Mehrlinge. Im Jahr 2011 betrug der Anteil an Mehrlingen unter Frühgeborenen vor der 32. Woche, also sehr früh geborenen, 36 Prozent. Auf der Mehrlingsambulanz im AKH beträgt dieser Anteil sogar bis zu 50 Prozent. Diese Daten werden in Österreich über das Frühgeborenen Outcome Register im Auftrag der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien erfasst. Aus den Daten geht hervor: Je früher Kinder geboren werden, desto öfter handelt es sich dabei um Mehrlinge. Insgesamt werden in Österreich rund 7000 Kinder jährlich vor der 37. Woche geboren.

In der Reproduktionsmedizin habe es laut Berger mittlerweile zumindest zum Teil ein Umdenken gegeben. Auch durch Beispiel-Länder wie Schweden, wo es sogar gesetzliche Vorgaben gibt, die den Single-Embryonen-Transfer, also das Einsetzen lediglich einer befruchteten Eizelle, regeln. Die Mehrlingsrate in Schweden nach künstlicher Befruchtung liegt bei fünf Prozent, in Österreich bei 20 Prozent – „die Dunkelziffer ist höher“, meint Berger. Auch in Österreich sei allerdings ein Rückgang bei höhergradigen Mehrlingen zu beobachten.

Neben der Reproduktionsmedizin spiele allerdings auch der Anstieg des Alters einer Frau bei der ersten Geburt eine Rolle. „1970 war das durchschnittliche Alter für Erstgebärende 20 Jahre, heute liegen wir bei 30. Hinzu kommt, dass die Zahl der Frauen, die mit 40 oder darüber ihr erstes Kind bekommen, zunimmt. Mit zunehmendem Alter steigt allerdings das Risiko für Mehrlinge“, sagt Angelika Berger. Hier brauche es laut der Expertin mehr Aufklärung – viele Frauen wissen über die Risiken von Mehrlingsschwangerschaften nicht ausreichend Bescheid.