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Tschernobyl: Neue Schutzhülle für die Atomruine

Unter dem gigantischen Bogen hat vieles Platz: die Pariser Kathedrale Notre Dame, die New Yorker Freiheitsstatue oder das Wiener Rathaus. Aber die Hightech-Konstruktion aus Stahl und Beton, von Experten als "New Safe Confinement" (sinngemäß "Neue sichere Beschränkung") bezeichnet, hat eine ganz andere Funktion: Sie soll die Ruine des 1986 explodierten Atomkraftwerks Tschernobyl abdichten. Auf Spezialschienen rollt der Stahlmantel zum 330 Meter entfernten Reaktor 4. Er soll darunter verschwinden. Für die nächsten 100 Jahre.

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Es ist das größte bewegliche Objekt, das je von Menschenhand gebaut wurde. "Ein riesiges Teil und eine technische Meisterleistung", fasst Georg Steinhauser zusammen. Der österreichische Nuklearwissenschaftler war vor einigen Wochen dort, um am Gelände Bodenproben zu entnehmen. Der Professor am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz an der Universität Hannover arbeitet an einem Projekt, dass den kontaminierten Boden im Sperrgebiet auf biologische Art saniert. Für ihn war der Dienstbesuch gleichzeitig ein Abschied. Den beschädigten porösen Betonsarkophag, der Reaktor 4 umhüllt, soll es künftig nicht mehr geben, erklärt er. Und das ist auch gut so: Der alte Schutzmantel ist längst nicht mehr tragbar. Er wurde vor 30 Jahren in aller Eile gebaut, damit radioaktives Material nicht nach außen dringt. Doch das Provisorium konnte nichts vollständig abdichten. Sogar Vögel flogen hinein, aber nie wieder heraus.

Vor Strahlen schützen

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Der neue Stahlbogen soll abdichten und die Umgebung vor den Strahlen aus dem havarierten Kraftwerk schützen. Ein eigenes Belüftungssystem hält die Feuchtigkeit innerhalb der Schutzhülle in einem bestimmten Bereich, um die Korrosion der tragenden Metallkonstruktion zu verhindern. Vor allem aber soll der neue Stahlmantel den Behörden Zeit geben. Sie haben also fast 100 Jahre, um den alten Sarkophag im Inneren – mittels ferngesteuerten Kränen – abzutragen und das Kraftwerk rückzubauen. Was mit den Tonnen von radioaktiven Resten passiert, ist aber noch unklar.

Viele der kurzlebigen radioaktiven Stoffe sind in den vergangenen 30 Jahren zerfallen, berichtet Experte Steinhauser. Zum Beispiel "Iod-131", das eine Halbwertszeit von acht Jahren hat. Es war maßgeblich für den Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen verantwortlich. Doch Entwarnung gibt es keine. Im Inneren strahlt die Atomruine noch immer. Davon sind vor allem die Arbeiter betroffen, die dort ausgestattet mit Schutzkleidung und Instrumenten immer wieder werkten. Für sie wird ein neues Trainingsprogramm erstellt, damit sie "auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sind", erklärt Steinhauser.

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Gleichzeitig will man die verstrahlte Region auf natürliche Weise sanieren. Das Institut für Radioökologie und Strahlenschutz Hannover versucht es mit Pilzkulturen. Im Frühjahr wollen sie diese setzen. Die Forscher hoffen, dass die Pilze in ihrem Gewebe radioaktive Stoffe binden und sich erneuern. Damit soll verhindert werden, dass Pflanzen die radioaktiven Stoffe aufnehmen. Zuvor gab es bereits Versuche, Raps anzubauen. Er hat die Eigenschaft, das Cäsium aus dem Boden zu ziehen, sagt Georg Steinhauser.

Was bisher gelungen ist: Die Natur hat sich die kontaminierten Landstriche zurückerobert. Wölfe, Füchse, Elche und Adler leben in der Sperrzone. Vor einigen Monaten wandelte die ukrainische Regierung das Gebiet in ein Biosphärenreservat um. Dort soll Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt werden, etwa mit Solaranlagen. Denn auch 30 Jahre nach der Katastrophe bezieht das Land fast die Hälfte seines Stroms aus Atomkraftwerken.