Taping: Bunte Klebebänder als Therapie
Von Ingrid Teufl
Spätestens seit Italiens Stürmer Mario Balotelli im EURO-Halbfinale gegen Deutschland seinen nackten Oberkörper und damit auch drei blaue Tapes am Rücken zeigte, ist Taping ein Trend-Thema. Doch die verschiedenfarbigen, breiten Klebebänder zur Schmerzreduktion und Förderung der Durchblutung sind nicht ausschließlich dem Profisport vorbehalten. Mitunter begegnet man auch mäßig sportlichen 70-Jährigen, deren Arm zum Beispiel ein pinkfarbenes Klebeband ziert.
Von Masseuren und Physiotherapeuten werden die Bänder schon lange zur Therapie und Vorbeugung von Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates angewendet. "Sie passen in alle Gesundheitsbereiche. Bei Kleinkindern können sie ebenso eingesetzt werden wie bei Übergewichtigen", sagt Heilmasseur Peter Kreil. Er leitet den Österreich-Vertrieb des sogenannten "Kinesio-Taping", das es seit 1979 gibt.
Zweite Haut
Die elastischen Bänder bestehen aus Baumwolle, der Kleber ist in einer speziellen Wellenstruktur aufgetragen, die sie atmungsaktiv macht. Die Klebebänder sollen die Eigenschaften der Haut simulieren. "Diese ähnliche Struktur ist die Voraussetzung, dass das darunterliegende Gewebe stimuliert wird", betont Kreil. Durch das Kleben wird die Haut leicht angehoben. "So kann das Tape den Stoffwechsel anregen, aber auch den Abfluss von Stauungen und Abfallprodukten erleichtern. Es erzeugt keinen Gewebedruck und entlastet die Schmerzsensoren." Ebenso aktiviert das Band die Bewegungsrezeptoren. "Das vermittelt Halt und verbessert das Bewegungsgefühl."
Sportwissenschaftliche Studien zum Kinesiotaping sind allerdings rar. Erst kürzlich kamen neuseeländische Forscher zum Schluss, die Tapes seien bereits etablierten elastischen Bändern nicht überlegen. Therapeuten wie Kreil, aber auch Betroffene, sehen das anders. Vielen Patienten gehe es damit besser. "Der durch die Klebebänder aufgebaute Druck aufs Gewebe lehrt den Körper, wieder in sein natürliches Bewegungsmuster zu kommen."
Stimuliert werden ebenso die Faszien (feine, für die Körperstabilität wichtige Bindegewebsteile) sowie die Nerven. "Damit wirken Tapes bis ins Gehirn, wo der Schmerz entsteht." Um dem Gehirn aber so wenig Fehlinformationen wie möglich zu liefern, werde auf die Haut möglichst wenig Druck aufgebaut. Darüber hinaus wirkt das Tape auch regulierend, etwa bei Spannungszuständen oder als Prävention.
Also in Zukunft bei Verspannungen lieber Tapes kleben statt eine Massage zu buchen? Kreil: "Tapes sind die ideale Ergänzung. Sie verstärken die Wirkung." Aber auch beim Taping bleibt niemandem erspart, selbst etwas aktiv zur Verbesserung des Körpergefühls beizutragen. Das ist für 70-jährige Normalbürger nicht anders als für Stürmer Balotelli.
Hat Blau eine andere Wirkung als Rot oder Gelb?
Rot, Blau, Schwarz oder Rosa – wirken die Farben der Klebebänder unterschiedlich? Das wird innerhalb der verschiedenen Taping-Richtungen kontroversiell diskutiert.
Peter Kreil, Österreich-Vertreter der ursprünglichen Methode aus Japan "Kinesio-Taping": "Es gibt keine Hinweise auf unterschiedliche Farbwirkungen. Die Taping-Technik ist ausschlaggebend." Er räumt aber ein, dass die Lieblingsfarbe die Heilung unterstützen kann. "Das berechtigt den Einsatz verschiedener Farben."
Ganz anders argumentiert Martina Sielmann, Geschäftsführerin der registrierten Marke "Medi-Tape". Man habe die ursprüngliche Technik weiterentwickelt und vertrete einen ganzheitlicheren Ansatz: "Für erfolgreiches Tapen macht die Farbe sehr wohl etwas aus. Wir achten darauf, wie jemand auf eine bestimmte Farbe reagiert, und versuchen, auf die Farbenlehre einzugehen."
Farben verfügen über unterschiedliche Wellenlängen des Lichtspektrums. Diese Wellen würden auf die Haut treffen und entfalten dort ihre energetische Wirkung. Sielmann: "Rot steht für Wärme und Kraft, das assoziieren viele Menschen damit. Blau wiederum soll helfen, Energiestaus – etwa bei Schwellungen – zu beseitigen."
Auch wegen der Berücksichtigung der Farbwirkungen sind die "Medi-Tape"-Bänder breiter und werden großflächiger am Körper angebracht.
Info: Unterstützung bei Verletzungen
Geschichte Der japanische Chiropraktiker Kenzo Kase entwickelte in den 1970er-Jahren Klebebänder, um die Heilung von Verletzungen zu unterstützen.
Anbieter In Europa wird Kinesio-Taping seit rund zehn Jahren praktiziert. Pro Behandlung muss man (je nach Anbieter) mit 15 bis 35 € rechnen. Therapeutenlisten: www.kinesio-austria.at oder www.medi-tape.de