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Tabakpflanze gegen HI-Virus

Sie braucht 60 Prozent Luftfeuchtigkeit und konstante 22 Grad Celsius damit sie sich optimal entfalten kann. Das entspricht nicht gerade den Klimabedingungen in Wien, dennoch wachsen die Wurzeln der Nicotiana benthamiana in Wiener Erde – in einer Pflanzen-Klimakammer an der Universität für Bodenkultur (Boku).

Die dort verwahrte Tabakpflanze ist zwar nicht jene, die zu Zigaretten verarbeitet wird, aber dieser artverwandt und könnte künftige Aids-Therapien verbessern. Wiener Forschern an der Boku ist es gelungen, die Pflanze so umzuformen, dass sie einen Antikörper produziert, der das HI-Virus angreift. Das Besondere: „Die Tabakpflanze ist gentechnisch so verändert, dass sie humane Eigenschaften hat. Das geht nur mit dieser“, sagt Univ.-Prof. Herta Steinkellner vom Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie.

Der sogenannte Breitband-Antikörper PG9 wurde schon im Jahr 2009 entdeckt. Er tritt in seltenen Fällen spontan bei HIV-infizierten Personen auf – die Krankheit kommt dann nicht zum Ausbruch. Der große Vorteil des Antikörpers: Er kann sich an einen Teil der HI-Virushülle binden, der relativ konstant bleibt, während sich das HI-Virus ständig verändert.

Therapie für Infizierte

PG9 kann bereits aus tierischen Zellkulturen gewonnen, allerdings noch nicht therapeutisch eingesetzt werden. Das Protein, der Hauptbestandteil des Antikörpers, lässt sich zwar „produzieren, allerdings werden Protein-Veränderungen wie Zuckerreste und Sulfatgruppen nicht optimal synthetisiert. Diese Modifizierungen sind aber für die Wirksamkeit des Antikörpers essenziell“, sagt Steinkellner.

Hier kommt die Pflanze ins Spiel. Die Forscher konnten erreichen, dass die Nicotiana benthamiana maßgeschneidert Sulfatgruppen und Zuckerketten an den Antikörper heftet. Der so produzierte Antikörper PG9 ist um ein Vielfaches aktiver als die Variante aus der Tierkultur. „Es hat uns selbst überrascht, mit welcher Präzision diese Veränderungen am Antikörper, die sonst nur in menschlichen Zellen vorkommen, von den Pflanzen durchgeführt werden“, sagt Univ.-Prof. Lukas Mach, der gemeinsam mit Steinkellner an der Pflanze arbeitet. Ziel ist, ein therapeutisches Produkt zu entwickeln, um HIV-Infizierte zu behandeln.

Ebola-Virus

Mit einer ähnlichen Strategie konnten die Forscher bereits hochwirksame Antikörper gegen das Ebola-Virus aus der Tabakpflanze produzieren. Nach Versuchen mit Mäusen und Affen wurden diese im Vorjahr erfolgreich bei mehreren erkrankten Amerikanern eingesetzt. Seit März läuft ein Großversuch in einigen afrikanischen Staaten, die ersten Ergebnisse werden Ende 2015 erwartet.

Noch ist nicht klar, wann die pflanzlichen Antikörper als therapeutisches Produkt eingesetzt werden können. Normalerweise dauere das etwa zehn Jahre, hänge aber laut Steinkellner vom „gesellschaftlichen Druck“ ab. Die Erfahrung mit Ebola habe gezeigt, dass „auf einmal ein enormer Druck und relativ viel Geld da waren – und die Pflanze alle anderen Systeme überholt hat.“