Einziges Kinderspital Österreichs feiert 180 Jahre Bestehen
Von Ingrid Teufl
Die Spitalsgänge sind mit Bäumen, bunten Blumen und Tieren verziert, im Eingangsbereich neben der Ambulanz steht ein weißes Einhorn in Ponygröße und der Schwenkarm der mobilen Röntgengeräte auf den Stationen ist gelb mit braunen Flecken – eindeutig ein Giraffenhals.
Ein Spital stellt man sich anders vor. Doch das St. Anna ist etwas Besonderes. Es ist ausschließlich Kindern vorbehalten und das spiegelt sich in dem Haus im 9. Wiener Gemeindebezirk, das gerade sein 180-jähriges Bestehen feiert, überall wieder: Kranke Kinder brauchen neben der medizinischen Versorgung viel Zuwendung und Liebe. "In unserem Bereich ist besondere Fürsorge wichtig", betonen Prim. Wolfgang Holter und Psychologe Reinhard Topf, Leiter des psychosozialen Teams. Aufenthalt und Therapien sollen die kleinen Patienten nicht über Gebühr belasten.
Rooming-In für Eltern
Die Eltern können selbstverständlich bei ihren Kindern übernachten. Was heute in der Kindermedizin generell Standard ist, war in den 1970er-Jahren völlig unüblich. "Wir waren das erste Krankenhaus, das sich auch für die Eltern geöffnet hat. Das wurde auch baulich forciert", erinnert sich Holter. "Es gibt kein Zimmer, in dem nicht ein Elternbett vorhanden ist."
Das St. Anna Kinderspital ist in der Öffentlichkeit vor allem für die Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern bekannt. Doch das Haus ist österreichweit das letzte eigenständige Kinderspital, betont Holter. "Neben der Onkologie haben wir eine Allround-Pädiatrie. Wir verfügen über eine HNO-, Anästhesie- und Radiologie-Abteilung sowie über die größte Notfallambulanz." Mit der AKH-Kinderklinik ist man "eng verzahnt", als Träger fungiert die Stadt Wien.
Krebs bei Kindern
Ein Schwerpunkt ist unbestritten die Kinder-Onkologie und Kinderkrebsforschung. Hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. "Bis in die 1970er-Jahre starben leider sehr viele Leukämie-Patienten", sagt Holter. Heute liegen die Heilungsraten bei manchen Kinderkrebsarten bei fast 100 Prozent. Die Fortschritte haben verschiedene Gründe. Wesentlich war etwa die Vernetzung der Disziplinen, aber auch international standardisierte Therapiewege und die Zusammenarbeit mit anderen Zentren, betont der Experte. Dieses Wissen sei besonders für die Eltern wichtig, die sozusagen als Anwälte ihrer kranken Kinder agieren. "Es gibt enorme Sicherheit, wenn hinter einer Behandlung eine weltweite Forschungsgemeinschaft steht und nicht nur ein kleines Spital." Dieses "kleine Spital" ist in Forschungskreisen äußerst anerkannt. Etwa wurden die heute weltweit angewendeten Behandlungspläne ("Protokolle") für Stammzelltransplantationen hier in Wien entwickelt.
"Katastrophe für die Familie"
Auch wenn Krebs bei Kindern "prinzipiell eine seltene Erkrankung" und gut behandelbar ist – "für die Familie ist es eine Katastrophe. Da kann man noch so gut unterstützen", betont Holter. Die Kinder nehmen die Bedrohung deutlich wahr. Für die Vermittlung des Wesens der Krankheit und der Therapie brauche man bei Kindern vor allem Zeit. Psychologe Reinhard Topf ergänzt: "In der Phase der Diagnosestellung ist es wichtig, sich ganz aufs Kind zu konzentrieren, damit es versteht, was in der Therapie passiert." Dazu werden Themen wie Chemo-, Strahlentherapie oder Röntgen altersgerecht aufbereitet, etwa als Bilderbücher. Daneben erhält jedes Kind einen "Trostpolster" mit einem lachenden Gesicht. "Auch Vorschulkinder sind schon sehr an wissenschaftlichen Themen interessiert." Ebenso gibt es im Haus Unterricht für Sechs- bis 18-Jährige, der von der Heilstättenschule der Stadt Wien organisiert wird.
Und weil immer mehr Kinder ihre Krebserkrankung überleben, haben auch die sogenannten "Survivors" (Überlebende), wie sie sich selbst nennen, eine wichtige Rolle im System. Topf: "Sie kommen ins Haus und wollen von sich aus das Erlebte an die heutigen Patienten und Eltern weitergeben."
Der Kindersterblichkeit sollte Einhalt geboten werden80 Prozent der jährlich rund 18.000 Todesfälle in Wien entfielen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf Säuglinge und Kinder – eine Folge der schlechten Lebensbedingungen der armen Bevölkerung und vielfach noch unbehandelbarer Krankheiten wie Pocken, Masern oder Diphtherie. Besonders in Findelhäusern waren die Bedingungen katastrophal. „Kinder haben damals kaum überlebt“, sagt Psychologe Reinhard Topf.
Der Arzt Ludwig Wilhelm Mauthner gründete daher 1837 aus eigenen Mitteln das erste österreichische (und dritte europäische) Kinderspital mit zwölf Betten, damals noch in der Kaiserstraße angesiedelt. 1847 kam es zum Neubau am heutigen Standort, den die Kaiserin-Gattin Maria Anna stiftete.
Spendentradition
Schon Gründer Mauthner war auf Spenden angewiesen – ein Gedanke, der im St. Anna Kinderspital bis heute eine große Rolle spielt. In der jüngeren Geschichte spielen die Eltern eine gewichtige Rolle, etwa durch die Aktivitäten des Elternvereins. „Sie sind Treiber der Weiterentwicklung“, betont Prim. Wolfgang Holter. So wird etwa die St. Anna Kinderkrebsforschung überwiegend durch private Spenden finanziert. 90 Prozent fließen in die Forschung.
Info: www.kinderkrebsforschung.at
Spendenkonto Bank Austria
IBAN 1200 0006 5616 6600