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Skifahren auch mit Prothese möglich

Mit einer Hüft- oder Knieprothese ist Skifahren nicht mehr möglich. So lautete bisher die landläufige und ziemlich ernüchternde Diagnose. Führende Ärzte des Orthopädischen Spitals Speising in Wien widerlegten diese These gemeinsam mit Skilehrern und Patienten auf eindrucksvolle und recht einfache Art und Weise: Man ging Skifahren – und trat mit einem Ski-Wochenende im Pichlmayrgut bei Schladming den Gegenbeweis an.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Wurnig war der Ideengeber dieses Events. Der Facharzt für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie in Speising spricht von einem Irrglauben, dass Träger von Gelenksprothesen einen dauerhaften Einkehrschwung einlegen müssen: "Das wollen wir nicht so stehen lassen und beweisen, dass es sehr wohl geht." Und es ging. Noch dazu sehr gut.

Gute Tipps

18 Skifahrer mit Gelenksprothesen nahmen an dem unterhaltsamen, sportlichen und informativen Wochenende teil, darunter ein etwas älterer Herr, der erst im November 2015 eine neue Hüfte erhalten hatte. Selbst kleine Ausrutscher bedeuteten keineswegs das Ende des Ski-Tages, was unterm Strich blieb, waren viel eher Muskelkater in den Oberschenkeln.

Professionell geleitet und begleitet wurden die Skifahrer im Schladminger Skigebiet von Franz Kröll und zwei ehemaligen österreichischen Ski-Größen mit Weltcup- und Olympia-Erfahrung: Reinhard Tritscher und Michael Tritscher, einst Slalom-Ass und jetzt Leiter der Skischule in Schladming. "Wichtig ist, dass man mittig über dem Ski steht. Die richtige Haltung hilft vor allem Fahrern mit Prothesen. Dann ist auch die neue Carving-Technik eine Unterstützung. Wenn man gut belastet, dann fährt der Ski praktisch von allein. Dadurch spart man Kraft."

Der wedelnde Beweis

Und die benötigt man beim Skifahren, wie Sportorthopäde Michael Enenkel, Spezialteam-Leiter für rekonstruktive Knie-Chirurgie in Speising, mit Zahlen erklärt: "Auf einen trainierten Skifahrer wirkt bei den Schwüngen das Zwei- bis Dreifache des Körpergewichts ein. Das müssen die Gelenke auffangen. Auf einen untrainierten Skifahrer wirkt das Zehnfache des Körpergewichts." Enenkel weiß, wovon er spricht: Einerseits ist er ausgebildeter Skilehrer, auf der anderen Seite Träger zweier neuer Hüftgelenke. Nur neuneinhalb Wochen nach der ersten Operation stand er wieder auf den Skiern.

Und Videos, die seine Skilehrer-Kollegen drehten, unterstrichen den Unterschied: "Nach den Operationen war mein Stil besser als davor, da ich mehr Druck auf den Ski brachte und auch die Kante halten konnte." Schmerzen? Fehlanzeige.

Das Fazit der Speisinger Fachärzte: Jede Sportart, die man vor einer Gelenks-Operation technisch beherrscht hat, kann man auch danach ausüben. Allerdings hätte es keinen Sinn, mit einer neuen Hüfte oder einem neuen Knie eine neue Sportart zu erlernen.

Martin Dominkus, Leiter der Abteilung für Endoprothetik, sieht die Angst vor dem Sport nach Gelenks-Operationen historisch gewachsen. "Heute sind die Technik und das Material top, da die Muskulatur bei den Eingriffen kaum noch beeinträchtigt wird. Eine zementfreie Hüfte hält im Prinzip ein Leben lang." Auch Stürzen hält sie stand.

Die richtige Balance

Etwas sensibler ist die Sache bei einer Knieprothese. Hier müssen die Seitenbänder intakt sein, damit die optimale Stabilität gegeben ist. Für alle gilt jedoch dasselbe Motto: Die Einschätzung des eigenen Könnens auf den Skiern ist genauso wichtig wie die richtige Dosierung der sportlichen Belastung.

Und natürlich eine gute Vorbereitung. Wer Kraftausdauer und Schnellkraft trainiert und mit Übungen die Stabilität der Rumpfmuskulatur stärkt, der kann sich getrost auf die Piste wagen. Das gilt aber auch für Skifahrer ohne Prothesen ...

Statistik

2014 wurden in Österreich 40.765 Hüft- und Kniegelenke eingesetzt, davon mehr als 2000 im Orthopädischen Spital in Wien-Speising. Im Gegensatz zu England oder den USA, wo Ärzte in diesem Bereich oft als Einzelkämpfer in Spitälern arbeiten, setzt man in Speising auf Teamwork, was durch die tägliche Kontrolle eine hohe Qualität garantiert.