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14 Monate warten auf eine Operation

Es waren starke Schmerzen im linken Knie, die Elisabeth Berger 2015 in die Ordination eines Orthopäden brachten. "Es rieb bereits Knochen auf Knochen, die gesamte schützende Knorpelschicht war verschwunden", erinnert sich die 71-jährige Niederösterreicherin. "Ich überstand die Tage nur mehr dank Schmerzmitteln und benötigte dringend ein künstliches Gelenk – aber der Arzt sagte mir, ich müsste mit einem Jahr Wartezeit rechnen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass ich ihn privat aufgesucht hatte."

Frau Berger ruft alle Spitäler der Umgebung an, geht privat zu einem zweiten Orthopäden: "Auch der war sehr nett, hat gesagt, er würde mich gerne einschieben, wenn jemand ausfällt – aber leider, auch für solche Fälle habe er schon so viele Vormerkungen, dass ich mir keine Hoffnung machen dürfe." Elisabeth Berger lässt nicht locker, geht – wieder privat – zu einem dritten Orthopäden: "Dieser war auch zurückhaltend – aber letztlich hat es dann doch nach zweieinhalb Monaten geklappt."

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"Geschichten wie jene von Frau Berger sind nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel", sagt Sabine Waste von der "help 4 you company – Verein für aktive Patienten- und Ärztebildung" (help4youcompany.at). "Früher wartete man im Schnitt drei bis vier Monate auf eine Hüft- oder Knieoperation, jetzt ist es ein Jahr, und wir hören auch schon immer öfter den Zeitraum von 14 Monaten. Und das bei Patienten mit teilweise wirklich sehr starken Schmerzen."

Falsche Therapie

"Viele Patienten mit Schmerzen erhalten auch nicht die richtige Therapie", betont Erika Folkes von der Allianz Chronischer Schmerz. "Die Zahl der Schmerzambulanzen in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren um mindestens 20 reduziert – und viele der noch bestehenden haben ihre Öffnungszeiten stark eingeschränkt." Gleichzeitig fehle es in Österreich an Schmerzzentren: "In Deutschland gibt es 600, bei uns lediglich ein Pilotprojekt in Klagenfurt." Allgemeinmediziner seien bei komplizierten Fällen nicht die richtige Anlaufstelle: "Sie haben in der Regel keine Ausbildung als Schmerzmediziner." Mit einer Internet-Unterschriftenaktion(www.schmerz-allianz.at) soll jetzt Druck gegen weitere Kürzungen in der Schmerzmedizin gemacht werden.

Bei vielen Patienten könnte auch Physiotherapie die Schmerzen lindern: "Aber auch hier wird es mit den Bewilligungen durch die Krankenkassen immer schwieriger." Statt einer Dreiviertelstunde pro Einheit werde oft nur mehr eine halbe Stunde bewilligt. "Dabei könnte man mit einem ausreichenden Angebot auch viele Operationen verhindern – die letztlich viel teurer kommen", betont Folkes.

Welche unnötigen Behandlungen und Kosten Privatmedizin verursachen kann, zeigt das Beispiel von Irene K., 63. Sie litt im linken Ohr an Hörbeschwerden, Auslöser war ein Paukenerguss (Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr). Nach einer Behandlung durch einen HNO-Arzt war zwar der Druck weg, "aber es trat eine leichte halbseitige Gesichtslähmung auf". Therapien bei einer weiteren HNO-Ärztin brachten Besserung, eine MRT-Untersuchung zeigte kein akutes Krankheitsbild.

800 Euro für nichts

"Ich wollte aber zur Sicherheit noch einen Neurologen aufsuchen", sagt Irene K. – und dort begann ihr Albtraum: "Der Neurologe in einem Privatspital nahm meine mitgebrachten MRT-Bilder, schaute kurz darauf und sagte, so als ob es sich um einen Schnupfen handeln würde: ,Sie haben ein schiefes Gesicht und wahrscheinlich Multiple Sklerose (MS), ihr altes MRT-Bild ist verwackelt und unbrauchbar, wir müssen sofort ein neues anfertigen lassen‘. Ich war geschockt und habe natürlich nicht widersprochen." Das neue MRT (500 Euro, ohne Rechnung – "sonst würde es mehr kosten") brachte dasselbe Ergebnis wie das erste: Kein Hinweis auf MS – was auch ein weiterer von Irene K. zugezogener Facharzt bestätigte. Fazit: "Der Neurologe im Privatspital sagte nur, ,passen Sie auf sich auf und achten Sie auf MS-Symptome‘." Zurück blieben 800 Euro Kosten (zwei Privatordinationen plus MRT) sowie "viele Tage mit Angst und Sorgen".

Zahlreiche Leser sind dem Aufruf des KURIER gefolgt, ihre Erfahrungen mit dem heimischen Gesundheitssystem zu schildern. Hier eine Auswahl der Leserreaktionen:

"Mein Internist überwies mich am 9. Februar 2016 an das AKH, weil bei einem 24-Std-EKG ein Abfall der Herzfrequenz auf 27/Min. festgestellt wurde. Erstmöglicher AKH-Termin: 4. März. Dort ordnete der diensthabende Arzt (ohne Untersuchung!) ein neuerliches 24-Std-EKG an, frühester Termin 28. April und ein neuerliches Belastungs-EKG, frühester Termin 20. Mai! Am 12. Mai bekam ich einen Anruf vom AKH, dass der Termin 20. Mai wegen Ärztemangels nicht eingehalten werden kann und bat um Verschiebung auf den 25. Mai. Die lange Wartezeit in Angst hat meine Nerven sehr strapaziert." Josef S.

"Auf eine schmerzstillende Spritze (nicht die Operation) hätte ich im Krankenhaus auch sechs Wochen bei unerträglichen Schmerzen warten müssen. Privat geht’s besser: In drei Tagen bei stationären Aufenthalt in der Privatklinik Hochrum war ich schmerzfrei und konnte mich normal bewegen." Werner B.

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"Meine Frau (76) brauchte dringend eine Knieprothese. Nach Nachfrage bei vier Spitälern hieß es, sie müsse neun bis 14 Monate warten. Wenn sie zu starke Schmerzen hat, solle sich sie eine Spritze holen. Das nächste Problem: Unser Hausarzt ist in Pension gegangen, wir finden jetzt keinen Allgemeinmediziner mehr. Außer solche mit Selbstbehalt, den wir dann bei der Krankenkasse einfordern müssen." Eduard U.

"Das System der Spitalsambulanzen gehört reformiert und Aufklärungsarbeit geleistet. Es nimmt die Unart zu, dass diese wegen jedem Furz gestürmt werden. Das kostet viel Geld und fehlt woanders." Friedrich K.

"Ist es nicht das Wesen einer Privatversicherung, dass man sich durch das Einzahlen regelmäßiger Beträge einen Vorteil verschaffen will? Es wäre doch sonst absurd, wenn man durch eine Zusatzversicherung trotzdem nur die gleichen Leistungen (Mehrbettzimmer, lange Wartezeiten auf Operationen) konsumieren könnte. Wer bitte wäre so blöd und würde, wenn dem so wäre, eine Zusatzversicherung abschließen?" Nikolaus G.