Schmerzpatienten: Viele sind schlecht versorgt
Von Ernst Mauritz
Aufs Erste klingt die Zahl gar nicht so schlecht: 40 hochspezialisierte Schmerzambulanzen gibt es derzeit – noch – in Österreichs Spitälern. „Doch diese sind zum Teil nur noch vier bis acht Stunden pro Woche in Betrieb – in diesem Zeitraum ist keine umfassende Diagnostik und Therapie möglich“, sagt Oberarzt Wolfgang Jaksch vom Wiener Wilhelminenspital, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG). Und: „In den vergangenen zwei Jahren haben neun solcher Ambulanzen geschlossen.“ Konsequenz: Wartezeiten von zum Teil drei bis vier Monaten auf einen Termin – ausgenommen Tumorpatienten, die sofort einen Termin erhalten.
"In der Krise"
„Die Versorgung der Schmerzpatienten in Österreich ist in der Krise“, bilanzierte deshalb Jaksch am Mittwoch anlässlich des in Wien stattfindenden Kongresses der Europäischen Schmerzföderation (EFIC).
„Diese Krise hängt damit zusammen, dass es für die Versorgung von Schmerzpatienten nie wirklich einen Auftrag von oben gegeben hat.“ Viele engagierte Mediziner – zu einem großen Teil Anästhesisten – hätten auf Eigeninitiative „von unten“ begonnen, die Angebote für ihre Patienten zu verbessern. Jetzt, wo es auch aufgrund der begrenzten Arbeitszeit einen Mangel an Anästhesisten gebe, „wird primär bei der Schmerztherapie gespart“.
„Dabei haben chronische Schmerzpatienten ein siebenfach höheres Risiko für eine Berufsunfähigkeitspension.“ Und alle direkten und indirekten Kosten, die durch nicht oder schlecht behandelten chronischen Schmerz entstehen – wie etwa auch Frühpensionierungen – , machen in Österreich bis zu drei Milliarden Euro jährlich aus.
Dass Österreich bei der Versorgung von Schmerzpatienten bestenfalls im Mittelfeld liegt, zeigt eine neue Studie: Darin wurde untersucht, wie es um die Verfügbarkeit der wichtigsten Schmerzmittelgruppe, der Opioide, in 36 Ländern steht. „Die Zahlen für Österreich sind ernüchternd“, so der Schmerzmediziner Univ.-Prof. Hans Georg Kress, Inhaber des einzigen Lehrstuhls für Schmerztherapie in Österreich (AKH/MedUni Wien). In Deutschland sind 47 Opioid-Schmerzmittel zugelassen, alle bezahlen die Kassen.
Am anderen Ende der Skala liegt die Ukraine, in der kein einziges Präparat verfügbar ist. „In Österreich sind 20 zugelassen, von denen die meisten erstattet werden, aber nicht alle – und nicht automatisch“.
"Ein Gnadenakt"
Ein Beispiel seien rasch wirksame Opioide für die Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Krebspatienten. Diese sind „chefarztpflichtig“, in jedem Einzelfall muss bei der Kasse um Erstattung der Kosten angesucht werden. „Das ist ein Gnadenakt. Und es hängt von der Kasse ab, ob mir dieser Gnadenakt huldvoll gewährt wird oder nicht. Das ist eine Ungleichbehandlung, die nicht mehr zeitgemäß ist.“
Zu viel versprochen
„Viele Patienten werden von Arzt zu Arzt weitergereicht und jedes Mal werden alle Befunde neu erhoben“, sagt Erika Folkes von der „Allianz Chronischer Schmerz Österreich“, ein Dachverband von Patientenorganisationen. Es gebe aber auch bereits erfolgreiche Modellprojekte, wo Spitäler und niedergelassene Ärzte auf freiwilliger Basis gut zusammenarbeiten.
Vielfach werde auch zu viel versprochen, sagt Schmerzmediziner Jaksch: „Eine völlige Schmerzfreiheit ist auch bei bester Therapie nicht immer möglich. Bei vielen chronischen Schmerzpatienten ist es schon ein großer Erfolg, wenn man die Schmerzintensität um 50 Prozent reduzieren kann.“
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