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Wie funktioniert die Therapie nach einem Schlaganfall?

"Ich nehme immer alles von der heiteren Seite", sagt Flüchtlingshelferin Ute Bock, 72, während sie mit Hilfe der Therapeutin den linken Arm hebt und senkt. "Es geht mir schon viel besser. Ich hoffe, dass ich mein Leben bald wieder alleine fristen kann."

Seit Februar 2014 kommt Ute Bock – sie hatte 2013 einen Schlaganfall – zwei Mal in der Woche in das "Therapiezentrum für Halbseitig Gelähmte" in Wien-Liesing. Seit 34 Jahren wird es von einem gemeinnützigen Verein geführt. "Wir sind nach wie vor in Ostösterreich das einzige ambulante Rehabilitationszentrum, das Langzeittherapie für neurologische Patienten in einem interdisziplinären Team anbietet", sagt Vereinsobmann Günter Lenhart. 13 Therapeutinnen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) betreuen fächerübergreifend rund 70 Patienten. An die 50 Patienten sind ständig auf der Warteliste – Wartezeit ein halbes bis dreiviertel Jahr. Im Schnitt dauert die erste, intensive Therapiephase ein Jahr – ein bis vier Mal pro Woche ein bis drei je einstündige Einheiten.

"Die Zusammenarbeit der verschiedenen Therapierichtungen ist bei uns ganz wichtig. Jeder Patient wird im Team besprochen und wir stimmen unsere Arbeit eng aufeinander ab", sagt die therapeutische Leiterin und Logopädin Christine Fritz. (Lesen Sie den Artikel unter der Bildergalerie weiter.)

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Pizza in Teamarbeit

Schlaganfallpatienten müssen viele Alltagshandlungen neu lernen. "Ich vergleiche einen Schlaganfall immer mit einem Schranken, der plötzlich zugeht und viele Funktionen versperrt", erklärt Fritz: "Unser Ziel ist, dass sich der Schranken leichter öffnen lässt und immer länger offen bleibt." Und sie bringt ein praktisches Beispiel – Pizza zubereiten: "Die Ergotherapeutin bespricht mit der Patientin die Einkaufsliste, geht mit ihr einkaufen und führt mit ihr die einzelnen Arbeitsschritte durch. Die Physiotherapeutin bereitet den Arm, die Motorik auf die für die Zubereitung notwendigen Bewegungen, vor. Und die Logopädin versprachlicht das Geschehene, unterstützt die Patientin zum Beispiel dabei, die Erinnerungen an das Kochen in der richtigen Reihenfolge abzurufen."

"Wir wollen den Patienten Mut machen", sagt Lenhart. "Durch Langzeitrehabilitation ist vieles möglich – auch noch etliche Jahre nach dem Schlaganfall." Österreich ist bei der Behandlung der Akutphase eines Schlaganfalls international führend – 40 "Stroke-Units" stehen dafür in den Spitälern zur Verfügung. "Aber wir bräuchten auch genauso viele Zentren für die Langzeitrehabilitation, hier gibt es große Defizite", sagt Lenhart.

72 Prozent der Kosten des Therapiezentrums werden von den Krankenkassen vergütet. Der Rest kommt von Subventionen der Stadt Wien und vielen freiwilligen Spendern. Lenhart: "Wir investieren rund 16.000 Euro für eine eineinhalbjährige Therapie – und ersparen dem Staat damit vermehrte Spitalsaufenthalte und Pflegegelderhöhungen. Unsere Arbeit kommt dem Gesundheitssystem wesentlich billiger – und trotzdem sind wir auf Spenden angewiesen. Das ist schwer zu verstehen."

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So musste das Zentrum auch die Kosten für ein in Österreich entwickeltes neues Therapiegerät (Tyromotion) aus Spenden finanzieren: Mittels Sensoren auf speziellen Griffen werden Arm- und Handbewegungen des Patienten auf einen Bildschirm übertragen. Im Rahmen von therapeutischen Computerspielen bekommt er so ein unmittelbares Feedback und kann Korrekturen durchführen – das fördert die Motorik. Auch Ute Bock wird mit dem Gerät trainieren – sie ist sehr motiviert: "Ich gebe nicht auf – und ich denke schon an das nächste Projekt: Ich möchte eine Notschlafstelle einrichten."
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