Saurier-Fund im Naturhistorischen Museum: Was die Entdeckung bedeutet
1982 landete ein Hubschrauber des Bundesheeres im Toten Gebirge. Mit an Bord: Presslufthammer und Wissenschafter des Naturhistorischen Museums. Zwei Jahre zuvor hatte der Lehrer und Höhlenforscher Josef Steinberger auf seinem unwegsamen Hausberg Knochenreste im Gestein entdeckt und nach Wien gemeldet.
Schließlich wurde eine 350 Kilogramm schwere Platte aus 2.000 Metern Höhe in die Bundeshauptstadt gebracht. In mühsamer Kleinarbeit lösten Präparatoren die Knochen vom Gestein – mechanisch und chemisch. Ein italienischer Kollege ordnete die Fossilien als Phytosaurier - sie lebten in Binnengewässern - ein.
Knapp vierzig Jahre nach dem verheißungsvollen Fund steht fest: Mystriosuchus planirostris – salopp Löffelkrokodil genannt – ist kein planirostris, es handelt sich bei den 215 Millionen Jahren alten Überresten vielmehr um eine neue Saurier-Art.
Überraschungen
Die Wissenschaft steckt voller Überraschungen. Immer wieder muss Evolutionsgeschichte umgeschrieben werden. Zusätzliche Funde, bessere Bestimmungsmethoden und digitale Vernetzung schließen Lücken oder werfen Fragen auf. „Jedes Museum arbeitet daran, seine Sammlung zu digitalisieren“, sagt Ursula Göhlich, Saurier-Expertin im NHM: „Wir haben mindestens 30 Millionen Objekte, vielleicht sogar 60 Millionen, wir wissen es nicht.“
Mancher Schatz liegt in der Schublade oder im Keller, mitunter noch unbehandelt. Hin und wieder bringt der Zufall die Wissenschaft weiter. Oder ein hoch spezialisierter Forscher.
Vier Tiere aus den Kalkalpen
Beim vermeintlichen Löffelkrokodil wurde der britische Paläontologe Richard Butler 2013 im NHM vorstellig. Eine Woche lang nahm er mit internationaler Verstärkung die Überreste der vier Reptilien aus den Kalkalpen genau unter die Lupe. Er ermittelte die Anzahl der Zähne im Oberkiefer, vermaß die Schädelknochen nach allen Richtungen und stellte Vergleiche mit Funden aus dem Ausland an.
„Schweizer Wissenschafter wollten die Knochen zerschneiden. In diesem Fall war es vertretbar“, erinnert sich Göhlich an schwierige Entscheidungen. Material ist nur begrenzt vorhanden. Der histologische Befund identifizierte die Saurier eindeutig als Meeresbewohner. Der Knochenquerschnitt, bei dem Wachstumsringe sichtbar werden, ließ auch Schlüsse auf das Alter zu: Zum Zeitpunkt ihres Todes waren die Wirbeltiere etwa acht Jahre alt und befanden sich bei einer Länge von vier Metern noch im Wachstum. „Derartige Untersuchungen wurden vor 30 Jahren noch nicht gemacht“, sagt Göhlich.
Von Meer bedeckt
Auch Beifunde helfen bei der Einordnung. Im Dachsteinkalk fanden sich unmittelbar neben den Knochenresten der Saurier zahlreiche Fischzähnchen, kleine Muscheln sowie ganze und zerbrochene Schneckengehäuse und Stacheln von Seeigel.
„Wir wissen, dass Österreich zur Zeit der Dinosaurier fast immer vom Meer bedeckt war. Hin und wieder gab es Inseln“, sagt Göhlich. Dino-Funde sind hierzulande daher höchst selten. Auch Saurier-Überreste wie von Mystriosuchus stehen nicht auf der Tagesordnung. Die neue Art aus dem Toten Gebirge heißt jetzt übrigens nach seinem Finder: Mystriosuchus steinbergeri.
Der Kunstschatz aus dem Archiv
Eine neue Saurierart wird in den Kunstmuseen oder am eigenen Dachboden nicht zu entdecken sein – aber es finden sich immer wieder Werke, die verstauben, obwohl sie von großen Dinosauriern des Kunstmarktes stammen.
Die Zuschreibungen in der Kunst sind oft überraschend umstritten – und die Enttäuschung bei jenen, die auf einem großen Schatz zu sitzen meinen, ist oftmals groß. Jüngstes Positiv-Beispiel: Ein doch recht unbekanntes Museum in Connecticut konnte sich erst im März darüber freuen, dass es einen echten Van Gogh besitzt.
Das Stillleben „Vase mit Mohnblumen“ von 1886 im Wadsworth Atheneum Museum in Hartford wurde von niederländischen Forschern für echt befunden. Seit 1990 lagerte es im Archiv, da seine Echtheit angezweifelt worden war.
Retter der Welt
Damit ist das Museum nicht alleine: Auch das derzeit teuerste Gemälde der Welt, der Da Vinci zugeschriebene „Salvator Mundi“, war von 1945 bis 2005 überhaupt verschwunden und lagerte derweil u.a. bei einer ahnungslosen Familie in Louisiana. Dass das 450 Millionen Dollar teure Bild vielleicht, wie viele unken, doch nicht von Da Vinci stammt, könnte dem Puschkin-Museum in Moskau Hoffnungen auf eine „Entdeckung“ machen: Denn dort gibt es auch einen „Salvator Mundi“, der aber dem Maler Giampetrino, einem Leonardo-Nachfolger, zugeschrieben wird. Ein Kunsthistoriker sagt nun: Dieser „Salvator“ ist der echte. Was bedeutungsmäßig zumindest einer neuen Saurier-Art gleichkäme.