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Psychotherapie für Familien immer noch Luxus

Rund 300.000 Kinder und Jugendliche in Österreich haben psychische Probleme. Dem Großteil, rund 170.000 der bis 19-Jährigen, könnte mit Psychotherapie geholfen werden, etwa bei Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen, bei aggressivem Verhalten, bei Ess- und Schlafstörungen oder Prüfungsängsten. "Viele Eltern können sich die Kosten einer Psychotherapie nicht leisten", sagte Maria-Anna Pleischl vom Österreichischen Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG) bei einer Pressekonferenz anlässlich des Tages der seelischen Gesundheit am 10. Oktober. Nur jedes zehnte Kind mit Bedarf erhält einen Therapieplatz.

Nach wie vor ist die finanzielle Unterstützung von Psychotherapie begrenzt. Hinzu kommt, dass nicht nur Kosten für das Kind entstehen, sondern auch das familiäre Umfeld oft mitbehandelt werden muss. Pleischl: "Die Wartezeit auf einen Kassenplatz beträgt zwischen drei und zehn Monaten. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist das viel zu lange." Sie bräuchten sehr rasch eine Therapie, damit sich ihre Störungsbilder nicht verfestigen. Werden Kinder früh behandelt, können sie hingegen später völlig unauffällig sein.

Kostenzuschuss

Neben der Möglichkeit, dass die Krankenkasse die Kosten für eine Therapie vollständig übernimmt, kann ein Teil der Kosten refundiert werden. Bei den Gebietskrankenkassen (GKK) beträgt dieser Zuschuss derzeit 21,80 Euro pro Therapiestunde, wobei diese im Schnitt zwischen 70 und 100 Euro kostet. "Dieser Zuschuss wurde seit 25 Jahren nicht angepasst und ist viel zu niedrig. Wir setzen uns dafür ein, dass er auf 40 Euro pro Stunde angehoben wird", sagt Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP). Nur die BVA hat den Zuschuss bereits erhöht.

Zwar würden viele Therapeuten auf eigene Kosten Sozialtarife anbieten, dies sei jedoch nur begrenzt möglich. Hinzu komme, dass es bei den Krankenkassen für Psychotherapie Kontingente gibt, die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung drosseln. In Salzburg und Niederösterreich wurden diese Beschränkungen bereits aufgehoben, der ÖBVP erhofft sich dies auch in den restlichen Bundesländern. "Dieses Problem betrifft nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene", so Stippl.

Burn-out

Immer wieder komme es vor, dass Erwachsene nach einem Reha-Aufenthalt bis zu acht Monate auf eine verordnete Psychotherapie warten müssen. Stippl: "Wenn z.B. jemand nach einem Burn-out acht Wochen in einer Rehabilitations-Einrichtung war, hat er – wenn er es sich nicht selbst leisten kann – direkt im Anschluss keine psychotherapeutische Unterstützung." Die Kritik an Reha-Aufenthalten, die zuletzt aufkam, sei nicht richtig, vielmehr fehle es an Nachsorge.

Dass sich die Investition in Psychotherapie lohne, zeigt eine aktuelle OECD-Studie: Psychische Probleme senken demnach die österreichische Wirtschaftsleistung im Jahr um 3,6 Prozent. Rasches Behandeln könne derartige Folgekosten verringern.

Ausgrenzung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat anlässlich des Welttags der seelischen Gesundheit dazu aufgefordert, psychisch Kranke würdevoll zu behandeln. In vielen Ländern würden Menschen mit einer seelischen Erkrankung ausgegrenzt und stigmatisiert, oft sogar misshandelt, hieß es in einem Appell der WHO.

Der Welttag der seelischen Gesundheit wurde erstmals 1992 von der World Federation for Mental Health (WFMH) ausgerufen. Die Organisation wurde 1948 gegründet. Sie fördert Aufklärungskampagnen zur Vorbeugung seelischer Erkrankungen und Störungen, zudem tritt sie für eine angemessene Behandlung und Betreuung ein. In ihrem Report zum diesjährigen Welttag fordert die WFMH, Betroffene sollten rechtlich, sozial und medizinisch als eigenständige Personen angesehen werden, so wie jeder körperlich Kranke auch.