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Jede dritte Hauterkrankung hat seelische Komponente

Beim Herzinfarkt ist den meisten klar: Wenn er auftritt, stand die Person zuvor häufig bereits längere Zeit ständig unter großem Druck, sei es beruflich oder privat. "Bei der Haut ist es schon viel schwieriger, den Patienten einen Zusammenhang zwischen dermatologischen Beschwerden und Belastungen im Alltag klarzumachen", sagt der Dermatologe Doz. Georg Klein. Er bemerkt aber ein Umdenken. "Die Menschen sind viel zugänglicher geworden."

Dennoch ist das Spezialgebiet der Psychodermatologie noch nicht weit verbreitet. Obwohl schon bekannte Sprichwörter auf einen Zusammenhang zwischen Haut und Psyche hinweisen, etwa dass einem etwas "unter die Haut geht". Oder dass die Haut der "Spiegel der Seele" ist. So kann sich etwa Stress in Form von Hautproblemen zeigen. Oft spielen neben organischen Ursachen eben auch psychische eine Rolle für deren Entstehung.

Psychosomatik

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In der Dermatologie wird das immer besser untermauert. "Es gibt eine Reihe von Krankheiten, bei denen psychische Faktoren den Krankheitsverlauf beeinflussen können", sagt Klein, der in der österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie die Arbeitsgruppe Psychodermatologie leitet und als Wahlarzt in Eisenstadt arbeitet.

Im stationären Bereich gibt es dazu bereits gute Daten. "Wir wissen, dass bei etwa einem Drittel der stationären Patienten auf Hautabteilungen eine psychosomatische Komponente vorliegt."

Zu diesen psychisch ausgelösten Krankheiten zählen klassische Hauterkrankungen wie Neurodermitis (atopische Dermatitis), Schuppenflechte (Psoriasis) oder Nesselsucht, Akne und sogar Hautkrebs. Dann kommt es mitunter zu einem fatalen Teufelskreis: Sorgen, Ängste, Ärger oder Anspannung verschlimmern die Hauterkrankung – das trübt die Stimmung und wirkt sich wiederum negativ auf das Wohlbefinden aus.

Kompliziertes Wechselspiel

Ausgelöst wird es durch ein hoch kompliziertes Wechselspiel zwischen Nerven- und Immunsystem. Das ist evolutionär bedingt, betont Klein. "Haut und Nerven kommen aus derselben Entwicklungsbahn und Hautareale werden von einer eigenen Nervenwurzel versorgt." Besonders gut lässt sich das an der Erkrankung Gürtelrose beobachten. "Die Viren sitzen in der Nervenbahn und wandern – etwa durch Stress ausgelöst – in die Haut, wo sie die Wunden auslösen."

Chronischer Stress

Bei Hautkrankheiten bringt vor allem chronischer Stress das Abwehrsystem durcheinander. Unter anderem, weil Bewältigungsstrategien fehlen, wie Forscher der kroatischen Universität Rijeka in einer Studie mit Jugendlichen Psoriasis-Patienten herausfanden. In stressigen Situationen schüttet der Körper vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin aus – damit sollen diese Hormone das Immunsystem durch Entzündungsprozesse in Gang bringen.

Gegenspieler Cortisol

Dazu kommt später das Hormon Cortisol. Es dient dazu, die verursachten Entzündungen wieder zu dämpfen. Chronische Belastungen können diese Regulationsmechanismen aber verschieben – der Körper produziert nicht mehr genug Cortisol.

Das heißt: Der Gegenspieler der Entzündungsprozesse fehlt – die Ekzeme werden bei Neurodermitis oder Schuppenflechte durch den quälenden Juckreiz immer mehr.

Dahinter steckt viel neueres Wissen aus der Psycho-Neuroimmunologie. "Wir lernen immer größere Details darüber, was sich im Körper abspielt", betont Klein. "Auch, dass der menschliche Körper kein eindimensionales System ist." Forscher der Berliner Charité entdeckten 2008 einen weiteren Baustein, der das Stresssystem bei psychosomatischen Hautkrankheiten befeuert: die sogenannte Neuropeptid-Neurotophin-Achse.

Unter Stress vermehren sich bestimmte Nervenzellen sehr rasch und setzen unter anderem ein Eiweiß namens "Substanz P" frei. Dieses aktiviert Mastzellen im Immunsystem – sie schütten Histamin aus und dieses verursacht Juckreiz und Hautschwellungen. Nun soll diese "Substanz P" ausgebremst werden. "Ein Medikament, das den Stoff in seiner Wirkung hemmt, könnte ein wichtiger Therapiebaustein sein, um die Entzündungsreaktion in der Haut zu bremsen", sagt Forscherin Eva Peters im Magazin Spektrum.

Bewältigung

Bis dahin müssen Dermatologen und Patienten andere Strategien anwenden. "Man muss den Patienten als Ganzes behandeln", sagt Klein. Das heißt: die psychosomatische Komponente mitberücksichtigen. "Die Aufgabe des Arztes ist, mit dem Patienten dort hinzukommen, dass er erkennt, welche Zusammenhänge bestehen." Neben der Therapie mit hautpflegenden Cremen und Salben hilft vielen Patienten, das Bewusstsein auf die Mechanismen zwischen Haut und Psyche zu richten.

Aber nicht jeder braucht gleich eine Psychotherapie. "Bei manchen Patienten reicht bereits das Bewusstsein, etwas Sport als Ausgleich zu machen." Andere fühlen sich mit Entspannungstechniken wie Qi Gong, Achtsamkeitstraining oder Muskelentspannung nach Jacobson besser. Hervorheben will der Psychodermatologe keine spezielle Methode. "Jeder braucht etwas anderes, doch einen Effekt haben sie alle. Wichtig ist, dass man sie wirklich regelmäßig anwendet."