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Pandemie: Wie realistisch sind Filmszenarien?

Es gab schon Stellen, wo wir die Stirn gerunzelt haben. Der Film hat einige Schönheitsfehler." Das sagt Prof. Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie am Uni-Klinikum Bonn. Donnerstag besuchte er "mit dem ganzen Labor" den Seuche-Thriller Contagion. Der KURIER befragte ihn und Virologen der MedUni Wien zu ihrem Urteil.

In Contagion führt ein neues Virus zu unzähligen schweren Erkrankungen und Todesfällen. Wie realistisch ist das?
"Eine Sterblichkeit von bis zu 25 Prozent der Infizierten und sonst nur schwer Erkrankte ist nicht realistisch", sagt Drosten. "Selbst die gefährlichsten Viren, die wir kennen, töten nicht so viele Menschen. An der Spanischen Grippe 1918 starben 2,5 Prozent der Infizierten. Bei der durch ein neues Coronavirus ausgelösten Lungenerkrankung SARS starben offiziell zwar 800 von 8000 Infizierten. Wahrscheinlich ist aber, dass es eine hohe Dunkelziffer an milden Infektionen gab." "Die Grundannahme, dass ein neuer Erreger zahlreiche Todesfälle verursacht, ist aber plausibel", so Univ.-Prof. Heidemarie Holzmann, MedUni Wien: "Ein Beispiel ist das Schicksal der indigenen Bevölkerung Amerikas nach der Entdeckung durch Columbus: 90 Prozent wurden durch Pocken, Windpocken oder Masern dahingerafft. Und die Spanische Grippe führte nicht nur unter der vom Krieg geschwächten europäischen Bevölkerung zu vielen Toten." Schätzungen reichen von 25 bis 50 Millionen Todesopfern.

Können sich neue Krankheitserreger tatsächlich innerhalb kürzester Zeit ausbreiten?
Ja, das hat im Frühjahr 2003 die rasche Ausbreitung von SARS gezeigt. Oder 2009 die Schweinegrippe-Pandemie: Anfang April wurde in Mexiko und den USA verstärkt von Infektionen mit dem neuen H1N1-Virus berichtet, Ende April gab es den ersten Fall in Österreich.

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Von der Fledermaus auf ein Schwein und dann zum Menschen - entsteht tatsächlich so rasch ein neues Virus?
"Die Wahrscheinlichkeit, dass das so und so rasch passiert, ist gering", sagt Drosten. "Die Darstellung der Wildtiere ist zu negativ. Ein neues Virus kann auch nur durch den Austausch zwischen Schwein und Mensch entstehen. "

Gibt es Beispiele, dass Spezialisten so wie im Film die Ärztin Erin Mears (Kate Winslet) als Folge ihrer Arbeit sterben?
Ja. Der italienische Arzt Carlo Urbani hat 2003 in Hanoi als WHO-Experte bei einem Amerikaner die Atemwegserkrankung SARS erkannt. Ende März starb er selbst an den Folgen der Infektion. "Durch solche frühen Diagnosen und Quarantänemaßnahmen für Infizierte konnten bei SARS kleinere Krankheitsausbrüche rechtzeitig eingedämmt werden, bevor das Virus noch gefährlicher wurde", sagt Virologe Univ.-Prof. Stephan Aberle, MedUni Wien.

Ist es möglich, innerhalb von drei Monaten erste Impfstoffdosen zu produzieren?
"Bei der Schweinegrippe hat es nur vier bis fünf Monate gedauert, weil alle auf ein neues Influenza-Virus vorbereitet waren. Bei einem völlig neuen Virus dauert das sicher länger", sagt Drosten.

Zeigt nicht gerade das Beispiel Schweinegrippe, dass die Gefahren neuer Erreger überschätzt werden?

"Dieses H1N1-Virus war nicht harmlos", sagt Drosten. Der Verlauf der Pandemie war nur deshalb so mild, weil ein verwandtes H1N1-Virus, das bis 1957 zirkulierte, ab 1977 wieder auftrat - ein junger russischer Mitarbeiter infizierte sich mit einer Probe in einem Labor und verbreitete es dadurch neuerlich weltweit." Deshalb hatten viele Menschen eine natürliche Immunität. "Wäre das nicht passiert, wäre die Pandemie dramatischer verlaufen." "Die Schweinegrippe führte zu höherer Sterblichkeit und schweren Krankheitsverläufen besonders bei jungen Erwachsenen und Schwangeren", sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz, MedUni Wien. "Zeitweise waren Intensivstationen am Wiener AKH ausschließlich mit Influenza-Patienten belegt."

Gibt es aktuelle Bedrohungen durch Erreger?

"Wir hatten heuer in Europa bereits mehr als 30.000 Masernfälle mit 1260 Lungenentzündungen und 24 Gehirnentzündungen", sagt Holzmann. "Acht Menschen starben bereits. "