Wie neue Therapien Schlaganfall-Patienten helfen
Von Ernst Mauritz
"Österreich sticht heraus." Es sind nur drei Worte von Univ.-Prof. Stefan Kiechl, dem Präsidenten der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft. Doch diese drei Worte des Neurologen der MedUni Innsbruck geben nicht nur am Welt-Schlaganfall-Tag (29.10.) vielen Hoffnung: "Weltweit werden heute fünf von zehn Patienten ganz gesund, in Österreich sind es sechs von zehn. Und wir hoffen, durch neue Therapien auf sieben von zehn zu kommen." Mit 24.000 Fällen jährlich ist der Schlaganfall die häufigste Gefäßkrankheit in Österreich.
Gerinnsel auflösen...
90 Prozent der Bevölkerung können innerhalb von maximal 45 Minuten eine der 38 Stroke Units – Spezialeinrichtungen der Spitäler zur Akutbehandlung von Schlaganfällen – erreichen. Seit 2002 können bei Schlaganfällen mit einem Gefäßverschluss (20.000 der rund 24.000) die Blutgerinnsel (Thromben) oft mit Medikamenten aufgelöst werden, die über eine Vene in den Körper gebracht werden (Thrombolyse).
...oder Herausziehen
Doch bei sechs bis zehn Prozent dieser Patienten ist eine der großen Hirnarterien verschlossen, sagt Prim. Univ.-Prof. Wilfried Lang vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien. Sind die Gerinnsel neun Millimeter lang oder noch länger, reicht die medikamentöse Therapie nicht mehr, um sie aufzulösen. "Dabei sind bei so einem Verschluss zwei Drittel einer Hirnhälfte in Gefahr."
Lesen Sie bitte unterhalb der Infografik weiter
"Dann wird der Stent aufgeklappt und verbindet sich mit dem Gerinnsel", sagt Lang. "So wird das gesamte Gerinnsel herausgezogen." Nichts bleibt zurück, was bei älteren Systemen vor 2015 manchmal der Fall war.
Sehr gute Ergebnisse
"Das ist wirklich eine sehr beeindruckende Entwicklung. Noch vor wenigen Jahren konnten wir diesen Patienten nichts anbieten." Bei 40 bis 50 Prozent der Patienten sind die Ergebnisse sehr gut – sie haben keine oder nur eine geringe Behinderung.
Keine Unterschiede
Bei den Schlaganfall-Symptomen gibt es kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern, hat eine kanadische Studie gezeigt, betont Univ.-Prof. Franz Fazekas, Vorstand der Uni-Klinik für Neurologie der MedUni Graz. Die häufigsten Symptome sind Lähmung, Gefühls- und Sprachstörung.
Rund drei Viertel der Bevölkerung können zumindest ein Anzeichen für einen Schlaganfall nennen – am häufigsten plötzliche Schwäche, Schwindelgefühle oder Kopfschmerzen. Allerdings sind Frauen etwas besser über die Risikofaktoren informiert. "Aber beim Auftreten von Alarmsignalen rufen sie dann letztlich seltener und später die Rettung."
Kein Schicksalsschlag
Dass die Rettung oft überhaupt nicht geholt wird, hat zumindest manchmal noch einen anderen Grund als nur Nichtwissen: "Laut einer französischen Untersuchung haben viele Betroffene das Gefühl, ein Schlaganfall sei ein Schicksalsschlag, dem man mangels wirksamer Behandlungsmethoden ohnehin machtlos ausgeliefert sei." Und das ist – siehe oben – eindeutig falsch.
Fortschritte in Gefahr
Die 38 Stroke Units haben die Versorgung der Patienten enorm verbessert, sagt auch Prim. Univ.-Doz. Elisabeth Fertl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie. Doch jetzt seien im Entwurf zum „Österreichischen Strukturplan Gesundheit“ Punkte enthalten, die diese hochwertigen Versorgungsstrukturen „ganz real gefährden“.
"Intensiver Pendelverkehr"
Die Folge wäre ein intensiver Pendelverkehr zwischen Reha-Zentrum und Akutkrankenhaus bei jeder Komplikation und jeder Untersuchung.“
Zweites Problem: In der neuen neunmonatigen Basisausbildung für Ärzte nach dem Studium ist zwar allgemein vorgesehen,dass sie die Schlaganfall-Basisversorgung lernen sollen. Fertl: „In der Praxis werden Jungärzte aber kaum Stroke Units zugewiesen.Doch wenn selbst die Ärzte die Früherkennung nicht mehr schaffen, dann schaut es finster aus.“