Nuno Maulide: Wissenschafter des Jahres, Chemiker und Pianist
Nur ein Semester lang hat Nuno Maulide bereut, den Weg in die Chemie eingeschlagen und sich nicht primär der Musik gewidmet zu haben. Dann kam die erste Vorlesung in Organischer Chemie und er wusste sofort: "Wow, das ist etwas für mich." Mittlerweile denkt er, dass es "einfacher ist, Profi-Chemiker und Amateurmusiker zu sein als umgekehrt". Publikum sucht und findet er aber auch mit der Chemie.
Und zwar bei seinen umfangreichen Bemühungen, sein Fach und seine Tätigkeit als Forscher der Öffentlichkeit zu vermitteln. Dafür wurde der 39-jährige Professor für Organische Synthese an der Fakultät für Chemie der Universität Wien am Montag vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres 2018" gekürt.
In seiner Entscheidung für die Chemie habe ihn auch das Gefühl bestärkt, bei acht Stunden Klavierspiel am Tag zunehmend zu vereinsamen, erinnerte sich der am 17. Dezember 1979 in Lissabon geborene Maulide im Gespräch mit der APA. Das Studium als Konzertpianist schloss er dennoch ab und wann immer es möglich ist, sitzt er auch heute noch am Klavier - durchaus erfolgreich, wie seine Teilnahme an Klavier-Wettbewerben für Amateure und seine öffentlichen Konzerte belegen.
Altes Piano entdeckt
Erst kürzlich hat er in einem Zwischengeschoß des Chemie-Instituts, wo eigentlich Geräte gelagert werden, ein altes Piano entdeckt und freut sich nun über die Gelegenheit, auch in Arbeitspausen Klavier spielen zu können. Maulide sieht viele Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten von Musik und Chemie, auf die er auch bei Vortrags-Konzerten aufmerksam macht, wo er unterhaltsam "musikalische Geschichten über Chemie" erzählt.
So bezeichnet Maulide seinen fachlichen Schwerpunkt, die organische Synthesechemie, als "sehr künstlerisch". "Wir kommunizieren anhand von Strukturformeln, das heißt wir malen Striche auf die Abzugsscheiben unserer Arbeitsplätze, wo Sie die Zeichnungen von Tausenden Molekülen sehen - das ist unsere Sprache, so kommunizieren wir und das versteht jeder, egal wo er oder sie herkommt." Für ihn ist das "der ästhetische Aspekt" seines Fachs, in dem er auch viel Kreativität sieht: "Wir machen jeden Tag in unserem Labor neue Moleküle, die nie vorher auf der Erde waren - das ist schon spannend."
Studium in Belgien, Frankreich und den USA
Nach dem Grundstudium in Lissabon machte er an der Katholischen Universität Löwen (Belgien) und der Ecole Polytechnique Paris seinen Master in Chemie und schloss 2007 in Löwen sein PhD-Studium ab. Als Postdoc ging er an die Stanford University und wechselte 2009 an das Max Planck-Institut für Kohlenforschung in Mühlheim (Deutschland). 2013 habilitierte er an der Universität Bochum und wechselte im selben Jahr als Professor an die Universität Wien.
Mit im Gepäck hatte er nicht nur seine Forschungsgruppe, sondern auch einen hochdotierten "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrats ERC. 2016 folgten ein "Consolidator Grant" und 2018 eine "Proof of Concept"-Förderung des ERC.
Synthesewege
Wissenschaftlich widmet sich Maulide u.a. der Suche nach neuen bzw. einfacheren Synthesewegen. So stellte er im vergangenen Jahr im Fachjournal "Science" eine neue Methode vor, wie sich mithilfe von Schwefelverbindungen alle erdenklichen Variationen eines bisher nur beschränkt herstellbaren chemischen Grundgerüsts produzieren lassen, auf dem viele Naturstoffe und Krebsmittel basieren. Unter dem Schlagwort "Atomökonomie" versucht er zudem chemische Reaktionen effizienter und umweltfreundlicher zu machen. Sie sollen ohne Abfallprodukte ablaufen, was bedeutet, dass alle über die Ausgangsstoffe eingesetzten Atome auch im Endprodukt zu finden sind.
Maulide hat bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den Bayer Early Excellence in Science Award (2012), den Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2013), den "Wiener Mut"-Preis für sein Bemühen, den Wissenschaftsstandort Wien internationaler zu positionieren (2014), und den Förderungspreis der Stadt Wien (2017). Im selben Jahr wurde er in die "Junge Akademie" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sowie in das Kuratorium des Wissenschaftsfonds FWF aufgenommen.