Ist "Magenschutz" ein Risiko für Demenz?
Von Ingrid Teufl
Weltweit zählen Protonenpumpenhemmer (PPI) zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Sie werden etwa als "Magenschutz" bei der Einnahme mancher Medikamente empfohlen. Nun mehren sich Hinweise auf Nebenwirkungen – vor allem bei einer Langzeitanwendung. Forscher des Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen in Bonn fanden sogar einen Zusammenhang mit erhöhtem Demenzrisiko.
Daten von 73.000 Deutschen wurden untersucht
Das Team um Britta Haenisch hatte Diagnosen und Verschreibungsdaten von mehr als 73.000 Versicherten der AOK-Krankenkasse analysiert. Knapp 3000 davon hatten regelmäßig PPI eingenommen. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken, um 44 Prozent erhöht. Ob für das erhöhte Demenzrisiko aber tatsächlich die Langzeiteinnahme von PPI verantwortlich ist, müssten weitere Studien klären, schreiben die Autoren im Fachmagazin JAMA (Online-Ausgabe).
Letzteres fordern auch Gastroenterologie-Experten wie Prim. Rainer Schöfl vom Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. Dass manche Effekte gemeinsam auftreten, sage nichts über einen kausalen Zusammenhang aus. "Aus den vorliegenden Daten wäre es unverantwortlich, einen solchen zu behaupten. Sie sind aber eine interessante Anregung, um das Thema methodisch sauber zu studieren, als zukünftige große Fall-Kontroll-Studie."
Unter Protonenpumpenhemmern versteht man generell Medikamente, die die Säureproduktion im Magen gewollt eindämmen. Wenn ein Zuviel schadet, etwa bei starkem, dauerhaften Reflux (Sodbrennen) oder Magen- bzw. Zwölffingerdarmgeschwüren. "Bei diesen Erkrankungen sind diese Medikamente als höchst sinnvoll anzusehen", sagt Ao. Univ.-Prof. Johann Hammer von der Wiener Universitätsklinik Innere Medizin III.
In manchen Fällen soll die Magenschleimhaut geschützt werden
Häufig werden PPI-Präparate aber – in geringerer Dosierung – als Magenschutz angewendet. Das sei bei manchen Fällen sinnvoll und wichtig, betont Hammer. "Manche Medikamente würden sonst den Magen angreifen. Da geht es um einen Schutz der Magenschleimhaut." Zum Beispiel bei der Einnahme bestimmter Schmerzmittel klagen bis zu 20 Prozent der Patienten über Magenbeschwerden, bei etwa vier Prozent kommt es sogar zu Magengeschwüren.
Doch zunehmend wird die allzu unkritische Verschreibung – und Einnahme – kritisiert. "Es gibt klare Empfehlungen, wann ein Magenschutz sinnvoll ist. Manche Patienten schlucken ihn allerdings, weil sie viele Medikamente einnehmen", sagt Schöfl. Er rät, Notwendigkeit und Ersatzpräparate (H2-Blocker, Algen, Antazida, Anm.) mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
Langfristige Einnahme verursacht Probleme
Probleme kann besonders die langfristige Einnahme von PPI verursachen. Erst im Jänner hatte eine ebenfalls in JAMA erschienene US-Studie aus Baltimore chronische Nierenschäden mit den Magensäureblockern in Verbindung gebracht. Und schon länger ist bekannt, dass die Einnahme Magnesium-, Kalzium- und Eisenmangel begünstigen. Der Grund: Magensäure unterstützt die Aufnahme im Darm. Ebenso können durch PPI Lungen- und Durchfallerkrankungen zunehmen, weil Bakterien nicht abgetötet werden. Daher muss der Nutzen immer abgewogen werden, betont Schöfl. "Mit der Einnahme löse ich einen gewollten Prozess aus, greife aber dadurch auch in viele Abläufe im Körper ein."