Wie gefährlich sind Bakterien in Rohmilch-Produkten?
Mehr Geschmack, aber auch mehr Risiko – Gourmets schwärmen vom authentischen Geschmack des Ur-Käses, dessen Milch nicht über 40 Grad (Weichkäse) bzw. 50 Grad (Hartkäse) erhitzt wird. Umso mehr warnen Mediziner, dass Produkte aus Rohmilch vor allem für gesundheitlich Geschwächte, Kinder und Schwangere Risiken bergen.
Aktuell haben Forscher der Universität Bern in roher Kuhmilch ein antibiotikaresistentes Gen entdeckt, gegen das selbst die neueste Generation von Breitband-Antibiotika wirkungslos ist.
Macrococcus caseolyticus ist eigentlich ein harmloses Bakterium, das auf der Haut von Kühen lebt und über das Melken auch in die Milch gelangen kann. Durch den Einsatz von Antibiotika bei Kühen, die etwa an Euterentzündungen litten, hat sich in dem Bakterium nun eine potenziell gefährliche Resistenz entwickelt. "Diese Bakterien machen zwar nicht direkt krank, aber sie können auf andere, krankmachende Bakterien treffen und diese resistent machen", erklärt der Veterinär-Bakteriologe und Studienleiter Vincent Perreten.
Zudem wurde Macrococcus caseolyticus mit der neu entdeckten Resistenz nun auch bei einem Hund gefunden, der an einer Hautinfektion litt. "Das bedeutet, dass diese Bakterien das Potenzial haben, verschiedene Tierarten zu kolonisieren." Umso wichtiger sei es, eine weitere Verbreitung dieses Resistenz-Gens zu vermeiden – dazu muss vor allem der übermäßige Einsatz von Antibiotika bei Tieren und Menschen reduziert werden.
Viele Krankheitserreger
Für Liebhaber von Rohmilch-Produkten ist das Risiko aus derzeitiger Sicht nicht größer als es ohnehin schon war, heißt es dazu von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Denn mangels Pasteurisierung können genauso unangenehme Krankheitserreger wie Listerien, E.Coli-Bakterien oder Staphylokokken übertragen werden. Im Rahmen von jährlichen Kontrollen werden immer wieder Proben von Milchprodukten untersucht. "Bei Milch sind die häufigsten Beanstandungsgründe mikrobielle Kontaminationen durch Hygienemängel, vor allem bei Rohmilch aus Eigenproduktion", heißt es von der AGES.
In der Käsetheke reihen sich Käse aus pasteurisierter Milch und aus Rohmilch nebeneinander – optisch ist kein Unterschied zu erkennen. Clemens Castan, der in Wien ein Rohmilch-Käsegeschäft betreibt, erklärt den Unterschied: "Milchsäurebakterien sorgen für die Reifung und für variantenreiche Aromen – die Pasteurisierung (Erhitzung über 70 Grad) soll nicht erwünschte Bakterien wie Campylobacter, E.Coli, oder Salmonellen abtöten." Dadurch verschwinden aber auch die Geschmacksnuancen und Käser müssen erst recht wieder Bakterienkulturen für Geschmack hinzufügen. "Rohmilchkäsesorten stechen durch andere Geschmacksnoten und Enzyme hervor: Experten können schmecken, ob die Kuh Kräuter oder Heu gefressen hat. Nie schmeckt der Käse gleich", sagt Castan.
Allerdings müssen in Österreich Käse aus Rohmilch und Rohrahm per Aushang als solche deklariert werden. Rohmilch muss mit dem gut lesbaren Hinweis "Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" gekennzeichnet sein. Diese darf nur am Tag der Gewinnung und an den zwei darauf folgenden Tagen abgegeben werden. Noch strenger ist der Gesetzgeber bei Rohrahm, dieser darf nur am Tag der Gewinnung der Rohmilch oder am darauffolgenden Tag hergestellt und abgegeben werden.