Mimikry: Wenn Tiere Fasching machen
Von Ute Brühl
Sich zu verkleiden, ist ein Bedürfnis, das nur der Mensch kennt – besonders im Fasching. Irrtum. Auch in der Tierwelt gibt es manche Form der Kostümierung. Zuerst denkt man da ans Chamäleon, das als Verwandlungskünstler par excellence gilt.
Doch weit gefehlt. Mario Ludwig – Biologe und Experte für alles Tierische – enttäuscht unser Bild von der sich wandelnden Echse: „Es gibt das Gerücht, dass sie sich sogar an eine Blütentapete anpassen kann. Doch viele Arten können sich gar nicht verändern und manche kaum.“
Verwandlungskünstler
Wer einen wahrhaftigen tierischen Verwandlungskünstler erleben will, der sollte sich mit – nomen est omen – dem Mimic-Oktopus befassen. „Er hat in seinem schauspielerischen Repertoire bis zu 15 gefährliche Meerestiere. Wird er z.B. von einem Riffbarsch bedroht, imitiert er einfach eine Gebänderte Seeschlange, die wiederum für ihr Leben gerne Riffbarsche frisst“, erläutert der deutsche Tierexperte.
Die Strategie des Karnevaltintenfischs, wie der Okotpus auch genannt wird: „Dank schnell reagierender Farbzellen imitiert er die schwarz-gelbe Ringelung der giftigen Schlange. Er verkriecht sich so, dass nur noch zwei Arme zu sehen sind. Klar, dass der Riffbarsch da Reißaus nimmt.“
Für Andreas Hantschk vom Naturhistorischen Museum Wien ist besonders erstaunlich, dass „der Oktopus nicht nur die Gestalt der Seeschlange annimmt, sondern auch deren Verhalten.“
Maskenball der Tiere
Dauernd Fasching
Sicher – der Karneval-Tintenfisch ist ein Ausnahmetalent, weil er sein Äußeres ständig ändert. Die meisten Tiere tragen ihr Faschingskostüm quasi ein Leben lang: Sie sehen in Form und Farbe einem gefährlichen Tier verblüffend ähnlich und sind doch völlig harmlos – Mimikry nennen Biologen dieses Phänomen. Bekanntes Beispiel ist die Schwebefliege, die aussieht wie eine Wespe.
„Doch es gibt auch andere Strategien“, weiß Museumspädagoge Hantschk und nennt als Beispiel den Fetzenfisch: „Der gehört zu den Seepferdchen und sein Körper sieht auch so aus. Er hat aber so viele Lappen, dass sich seine Körperform optisch auflöst – er wird nicht als Beutetier erkannt.“
Einen besonders fiesen Trick wendet der Säbelzahnschleimfisch an: Er hat das Äußere eines Putzerfisches angenommen – aus einem einfachen Grund: „Wenn sein Opfer, der Zackenbarsch, seine Kiemen aufbläht, um sich putzen zu lassen, reißt er ihm ein Stück Haut heraus und verspeist es“, verrät Hantschk. Na Mahlzeit.
Täuschungen aller Art
Doch nicht immer ist es die Optik eines Tieres, die den Feind hinters Licht führt, manchmal gibt es auch eine akustische Täuschung, wie Mario Ludwig weiß. Beispiel: „Die nordamerikanische Kanincheneule vergräbt sich – ganz untypisch für Eulen in verlassenen Bauten von Präriehunden. Wittern sie Dachse oder Kojoten, ahmen sie das Geklapper eine Klapperschlange nach, so dass ihre Feinde das Weite suchen.“
Die Klapperschlange wiederum wird vom Kalifornischen Erdhörnchen genarrt – und zwar olfaktorisch: Der Nager kaut die frisch gehäutete Haut der hochgiftigen Schlange und verteilt diese mithilfe seiner Zunge auf seinem Fell. Nähert sich eine echte Klapperschlange der Höhle des parfümierten Hörnchens, vermutet sie einen Artgenossen und zischt ab.