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Leben Fleischesser tatsächlich ungesünder?

Militant, mit Missionierungsgehabe – dieses Image haftet häufig Vegetariern und Veganern an. Eine soeben im Fachmagazin British Food Journal veröffentlichte Studie der Universität Mainz widerspricht dem allerdings. Vegetarier sollen sogar weniger Vorurteile als Fleischesser haben.

"Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, halten offenbar nicht so stark an Althergebrachtem fest", behauptet Studienautorin Petra Veser. "Außerdem bevorzugen sie häufiger gleichwertige Beziehungen gegenüber hierarchischen."

Diese Ergebnisse überraschen wohl viele, die es in Sachen Vegetarier eher mit Otto Waalkes halten. Ihm wird der Satz "Vegetarier leben nicht länger, sie sehen nur älter aus" zugeschrieben.

Fest steht, dass immer mehr Menschen fleischlos leben. In Österreich sind es mehr als zehn Prozent, Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und reichen von einem gesunden Lebensstil bis zu ethischen und moralischen Grundsätzen. Das geht so weit, dass sich die Hälfte der eingefleischten Vegetarier und Veganer keinesfalls vorstellen kann, eine Partnerschaft mit einem Fleischesser einzugehen.

Auch der gesundheitliche Aspekt fleischloser Ernährung wird immer wieder diskutiert – die Studien sind zahlreich und widersprüchlich. Die Wissenschaftler haben viele erstaunliche Ergebnisse gefunden. Hier eine Auswahl:

  1. Nährstoffversorgung: Forscher der MedUni Graz kamen in einer Studie zum Schluss, dass Fleischesser gesünder sind als Vegetarier oder Veganer. Gründe dafür könnte die Zufuhr mit essenziellen Nährstoffen wie tierisches Eiweiß sein, die eine fleischlose Ernährung nur zu einem geringen Prozentsatz oder gar nicht erfüllen kann. In anderen Studien wurde schon früher die Versorgung mit Eisen oder Vitamin B12 untersucht. Bei 90 Prozent aller Vegetarier wurde etwa ein B12-Defizit festgestellt.
  2. Krebs, Asthma: Interessanterweise belegt die Grazer Studie auch, dass Fleischesser um bis zu 50 Prozent seltener an Krebs oder Asthma erkranken. Das heiße zwar nicht, dass Menschen, die viel Fleisch essen, automatisch gesünder seien, betonte Studienautorin Nathalie Burkert in der Welt. Aber: Eine Ernährung mit moderatem Fleischkonsum und reich an Obst und Gemüse gehe mit einer guten Gesundheit einher.
  3. Herz-Kreislauf: Besonders rotes Fleisch steht im Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu fördern. Eine im Mai veröffentlichte Studie italienischer und spanischer Forscher konnte allerdings keinen klaren Zusammenhang zwischen dem Konsum und koronaren Herzkrankheiten oder Durchblutungsstörungen feststellen. Sie hatten dafür elf bereits veröffentlichte Studien genauer analysiert. Es sei nicht möglich, die Wirkung einzelner Lebensmittel vom gesamten Ernährungsverhalten loszulösen. Klar ist aber auch, dass wir heute viel mehr Fleisch als früher essen.
  4. Sperma: Geht es nach Wissenschaftlern der kalifornischen Universität Loma Linda, könnte ein saftiges Steak womöglich sogar die Qualität von Sperma beeinflussen. In einer Studie verglichen sie die Samenflüssigkeit von Vegetariern mit der von Fleischessern. Bei letzteren lag die Spermienanzahl mit 70 Millionen Spermien/mm deutlich über den 50 Millionen Spermien/mm, die Vegetarier aufwiesen. Zudem zeigten sich die Samenfäden bei Fleischessern auch noch wesentlich aktiver.
  5. Zwillinge: Der Konsum von tierischem Eiweiß könnte die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge erhöhen – zumindest in den USA. Verantwortlich könnten Wachstumshormone sein, die Rindern dort verabreicht werden dürfen. Forscher des Jewish Medical Center in New York hatten für ihre Studie die Ernährungsgewohnheiten von Müttern untersucht. Bei Frauen, die sich vegan ernährten, gab es pro 1000 Frauen vier Zwillingsgeburten. Bei Fleischesserinnen waren es 20.
  1. Schweiß: Vegetarier riechen möglicherweise anziehender als Fleischesser. In einer Studie der Universität Prag stellten die Wissenschaftler fest, dass Frauen den Schweißgeruch vegetarisch lebender Männer erotischer, anziehender und überhaupt weniger intensiv empfanden. Das könnte auch beim nächsten Spritzer auf der Terrasse ein Vorteil sein. Denn Gelsen bevorzugen das Blut von Fleischessern.
  2. Gewicht: Mehrere Studien belegen, dass vegetarische Ernährung auch die Kilos purzeln lässt. Eine Meta-Studie der US-Uni Harvard verglich vegane, vegetarische und herkömmliche Ernährung. Bei vegetarischer Ernährung nahmen die 1150 Probanden effektiver ab als bei einer Diät mit Fleisch. Bei sich vegan ernährenden Teilnehmern waren es im Schnitt 2,2 Kilogramm. Die Forscher vermuten die hohen Anteile an Ballaststoffen als Grund. Sie räumen aber auch ein, dass die Langzeiteffekte fleischloser Ernährung noch nicht ausreichend untersucht worden sind.
  3. Nährstoffe: In der seit 1993 laufenden "Oxford EPIC-Studie" mit mehr als 500.000 Teilnehmern in mehreren europäischen Ländern wird unter anderem die Nährstoffversorgung untersucht. Veganer verzeichnen den bisherigen Ergebnissen zufolge die höchste Zufuhr an Kohlenhydraten, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Ballaststoffen.
  4. Diabetes: Das Risiko für Typ-2-Diabetes ist bei Vegetariern gegenüber Fleischessern um die Hälfte reduziert. Zu diesem bisherigen Ergebnis kam die "Adventist Health Study 2", die seit 2002 läuft. Es ist die weltweit größte Studie an Vegetariern. Es nehmen rund 96.000 Mitglieder der protestantischen Freikirche der Sieben-Tage-Adventisten in den USA und Kanada teil. Die Adventisten gelten als besonders homogene Gruppe und sind bekannt, einen gesundheitsfördernden Lebensstil zu pflegen. Etwa die Hälfte von ihnen ernährt sich vegetarisch.
  5. Darmkrebs: Eine Studie aus Kalifornien (77.000 Teilnehmer) attestiert Vegetariern ein geringeres Risiko für Darmkrebs. Im Schnitt zählten die Forscher bei ihnen 22 Prozent weniger Krebsfälle als bei den Nichtvegetariern. Besonders selten traf es jene Teilnehmer, die auf Fleisch verzichteten, aber mindestens ein Mal im Monat Fisch verspeisten. Sie hatten den Berechnungen zufolge ein 43 Prozent geringeres Risiko.
  6. Aktivität: Viele Vegetarier sind körperlich aktiver. Das zeigt eine Langzeituntersuchung am deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.