Neue Hoffnung für Patienten mit Leukämie
Von Ernst Mauritz
Mai 2010: Bei der fünfjährigen Emily Whitehead aus Pennsylvania, USA, wird Akute Lymphatische Leukämie (ALL) diagnostiziert – die mit rund 80 Prozent aller Fälle häufigste Leukämieform im Kindesalter. Bei Emily bleiben sowohl Chemotherapien als auch eine Knochenmarkstransplantation erfolglos – jedes Mal kommt die Krankheit zurück. Darauf versuchten es die Ärzte mit einer neuen Therapie: Sie entnahmen 2012 Emily weiße Blutzellen und veränderten einen Zelltyp (T-Lymphozyten), sodass sie speziell die Krebszellen erkennen – und zerstören.
Seit vier Jahren frei von Krebszellen
Seit vier Jahren sind bei Emily keine Krebszellen mehr nachweisbar. Auch am St. Anna Kinderspital in Wien sind bereits zwei Kinder mit dieser Methode behandelt worden: "Es geht ihnen gut, die Ergebnisse sind bis jetzt sehr positiv", sagt die Hämatologin Univ.-Prof. Christina Peters.
Keine Wunder
Das Ziel sei es, wo dies möglich ist, die Chemotherapie zu ersetzen oder zu reduzieren. "Unsere Botschaft ist: Es gibt heute neue Möglichkeiten, aber eine hundertprozentige Aussicht auf Erfolg gibt es auch heute nicht." Denn die Entwicklung sei immer auch von Rückfällen geprägt: "Es gibt sicher Hoffnung, aber keine Wunder", betont Hämatologin Peters.
Therapie aussetzen
Auch das (vorübergehende) Aussetzen einer Therapie – der Substanz Imatinib bei der chronischen myeloischen Leukämie – und das genaue Überwachen des Krankheitsverlaufs könnten eine künftige Entwicklung sein. Jäger: "Wir können heute rund die Hälfte der erwachsenen Leukämiepatienten heilen – bei den anderen Patienten die Lebenszeit teilweise deutlich verlängern."
Bei bestimmten Lymphom-Patienten, die auf andere Therapien nicht mehr angesprochen haben, hätte sich ebenfalls bereits die neue Therapieform mit den veränderten T-Abwehrzellen bewährt. Zehn Erwachsene in Österreich seien im Rahmen einer internationalen Studie damit bereits behandelt worden – bei einigen sei die Krankheit seit drei Jahren nicht wieder aufgetreten.
Laut einer internationalen Studie liege die Erfolgsrate bei rund 60 Prozent.
Multiples Myelom
Auch beim multiplen Myelom (geht vom Knochenmark aus, es bilden sich bösartig entartete Plasmazellen, die die normale Blutbildung im Knochenmark zunehmend beeinträchtigen) gibt es Fortschritte – wenngleich auch hier noch nicht alle Patienten profitieren: Mehrere Präparate mit verschiedenen Wirkmechanismen "sind mindestens so effektiv wie die Chemotherapie", sagt Jäger.
Die Therapie von Erkrankungen des blutbildenden Systems wird auch immer individueller: Am Wiener AKH / MedUni Wien werden Testverfahren etabliert, die 400 verschiedene Gene der Krebszellen sequenzieren).
Forschung an der Medizinischen Universität Wien
In einem Forschungsprojekt wird an der MedUni Wien gemeinsam mit dem Forschungszentrum für molekulare Medizin (CEMM) aber noch ein anderer Ansatz getestet: Krebszellen werden im Labor mit 140 verschiedenen Medikamenten in Kontakt gebracht – nach 24 bis 36 Stunden zeigt sich, wie gut sie auf einzelne Wirkstoffe ansprechen. Jäger: "Das ist für Patienten interessant, bei denen Standardtherapien nicht mehr wirken. Für mehrere Patienten konnten wir damit bereits eine Therapie finden." Die Diagnostik werde in Zukunft noch viel entscheidender. "Es gibt eine Vielzahl an Subformen. Und bei jeder ist die Therapie eine andere."
Info: Gesundheitstalk am 25. Jänner 2017
Veranstaltungsort: Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Str.), 1090 Wien. Veranstalter: KURIER, MedUni Wien und Novartis.
Es begann 2011: Der Techniker Thomas Derntl, damals 47, verspürte starke Rückenschmerzen. Ein Orthopäde hatte ihn fit gespritzt. Auf einer Auslandsreise wurden die Schmerzen unerträglich: „Ich dachte, es ist ein Bandscheibenvorfall.“ Zurück in Wien bekam er die Diagnose „Multiples Myelom“ – eine Krebserkrankung des Knochenmarks.
Leukämie: Bösartige Erkrankung des Knochenmarks. Es kommt zu ungehemmter Bildung von weißen Blutkörperchen.
Viele Formen: Nach dem Typ der bösartigen Vorläuferzellen wird zwischen myeloischer (von Myelo-blasten ausgehender) und lymphatischer (von Lympho-blasten ausgehender) Leukämie unterschieden.