Künstliche Befruchtung: Was die Embryoschale verrät
Von Ernst Mauritz
Embryo-Diagnostik."Es könnte eine revolutionäre Neuerung im Bereich der künstlichen Befruchtung werden." Das sagt IVF-Pionier Univ.-Prof. Wilfried Feichtinger, Leiter des "Wunschbaby-Zentrums" in Wien. Waren bisher Zellen aus der äußersten Schicht eines Embryos bzw. die an der Eizelle anhaftenden Polkörperchen notwendig, um genetische Veränderungen feststellen zu können, soll künftig die Flüssigkeit, in der die Embryonen vor der Einpflanzung kultiviert werden, ausreichen.
Bis vor einem Jahr war in Österreich für die Präimplantationsdiagnostik (PID) nur die Polkörperdiagnostik erlaubt: Polkörper sind Abscheidungen der Eizelle, die nicht mehr benötigtes genetisches Material enthalten. Sie werden noch vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entnommen – sagen also nur etwas über das Erbgut der Frau aus.
Übereinstimmung
Feichtinger und sein Team haben die Ergebnisse von 15 Polkörperanalysen mit Untersuchungen der Kulturflüssigkeit verglichen, in der die Embryonen heranreiften: In 13 Fällen (86,6 Prozent) stimmten die Genanalysen überein.
"Wir wissen zwar noch nicht, woher genau die Embryo-DNA in der Kulturflüssigkeit stammt, aber es ist Erbsubstanz von Eizelle und Samenzelle." Und die kann man sonst nur gewinnen, wenn man Zellen aus der äußersten Schicht eines fünf Tage alten Embryos entnimmt – ein invasives Verfahren, das dem Embryo in seltenen Fällen auch schaden kann – "man zwickt ja ein kleines Stückchen heraus."
Die Analyse von Erbmaterial aus der Kulturflüssigkeit ist hingegen völlig unbedenklich: "Es ist ganz sicher DNA des Embryo, also mütterliches und väterliches Erbgut", betont Feichtinger. Unklar ist noch, ob es DNA-Bruchstücke sind , die durch die Eihülle hindurchdringen oder Zellen, die der Embryo möglicherweise abgestoßen hat.
Studie geplant
Für einen routinemäßigen Einsatz des neuen Verfahrens ist es noch zu früh: "Wir können es vorerst nur parallel zu den anderen Untersuchungen mitlaufen lassen, solange wir nicht mehr Daten – auch über die tatsächliche Genauigkeit – haben." Feichtinger plant jetzt mit Partnern der MedUni Wien und anderen IVF-Zentren eine große Studie, bei der die Genauigkeit des neuen Verfahrens in einer größeren Fallzahl untersucht werden soll. Damit entspreche man auch den Anforderungen des neuen Fortpflanzungsmedizingesetzes: "Denn dieses verlangt unter anderem, dass für eine Gen-Diagnostik vor der Implantation des Embryos ein möglichst schonendes, nicht-invasives Verfahren verwendet werden soll."
Eine PID ist dann erlaubt, wenn drei frühere Versuche fehlgeschlagen sind, es drei Fehlgeburten gegeben hat oder bestimmte Erbkrankheiten nachgewiesen sind.