Was der Klimawandel mit dem Ende von Hochkulturen zu tun hat
Vor 3200 Jahren ging es rund in der Mittelmeer-Region: Räuberische Nomaden-Trupps aus dem Osten setzten den Einheimischen zu. Bis heute weiß man nicht genau, wer diese marodierenden Seevölker waren und woher sie kamen. Was man neuerdings aber weiß, ist, dass eine 300 Jahre dauernde Trockenperiode diesen bronzezeitlichen Kulturen der Mykener und Hedither schwer zusetzte.
Der Klimawandel dürfte Ernteausfälle, Hunger und Armut verursacht haben, die wiederum sozio-ökonomische Krisen verstärkt und vorantrieben haben. Gleichzeitig könnte das sich verändernde Klima Einwanderer aus angrenzenden Gebieten in den Mittelmeer-Raum gebracht haben – darunter die berüchtigten Seevölker, die vom bereits destabilisierten Zustand dieser Reiche profitiert haben. Nach Ansicht eines belgisch-französischen Klimaforscher-Teams war daher das Klima definitiv die treibende Kraft und der Hauptauslöser für den Niedergang der Mittelmeer-Kulturen.
Ihr Schicksal war kein Einzelfall: Bereits im Jahr 2000 konstatierten Erd- und Weltraumwissenschaftler auf einer Konferenz, dass nicht politische, wirtschaftliche, militärische oder epidemiologische Faktoren zum Niedergang so mancher alter Hochkultur geführt haben, sondern drastische Klimaveränderungen.
Aufstieg, Fall und Klima
Immer öfter finden Forscher einen Zusammenhang zwischen Aufstieg/Fall von Völkern und sich änderndem Klima: So haben 73 Wissenschaftler aus 24 Ländern 2013 die bisher umfassendste Studie dazu vorgelegt. Sieben Jahre lang haben sie für ihr Forschungsprojekt Pages 2k die Temperaturentwicklung der vergangenen 2000 Jahre auf allen Kontinenten außer Afrika unter die Lupe genommen. Aus weltweit 511 Klima-Archiven konnten die Forscher die Klima-Historie Europas aufs Jahr genau rekonstruieren:
So fielen die Blütezeiten des Römischen Reiches („Optimum der Römerzeit“ genannt) und des Deutschen Reiches in regenreiche Warmzeiten;
schlechte Zeiten wie Völkerwanderungen, („Pessimum der Völkerwanderungszeit“ genannt), Pest und Dreißigjähriger Krieg ereigneten sich in Phasen rauen Klimas.
Der Historiker Philipp Blom hat diese Epoche in seinem Buch Die Welt aus den Angeln analysiert und meinte in einem KURIER-Interview: „Es ist unglaublich, wie sehr sich die europäischen Gesellschaften zwischen 1600 und 1700 innerhalb von drei Generationen verändert haben.“ Diese Veränderung sei mit der sogenannten Kleinen Eiszeit (Periode relativ kühlen Klimas vom 15. bis zum 19. Jh.) zusammengefallen. „Das legt nahe, dass es da einen Zusammenhang gibt. Eigentlich ist es ein Naturgesetz: Wenn sich unsere Umweltbedingungen ändern, müssen auch wir uns ändern.“ Damals sei alles anders geworden, von der Landwirtschaft über die Wirtschaft bis hin zur politischen Ordnung, Kultur und Philosophie.
Aus der Not heraus gab es um 1600 sogar eine Bildungsrevolution. Damals brauchte es „eine neue Art von Menschen – die lesen und schreiben können, in Städten wohnen und durch Bücher sowie Debatten Dinge anders lösen können. Das hat geholfen, Europa zu transformieren“, glaubt Blom.
Unser Kontinent steht mit klimabedingten Veränderung aber nicht alleine da:
Auch in Nordamerika ließ eine mittelalterliche Warmphase, in der es ähnlich mild wie heute war, das Leben erblühen. Insbesondere in nördlichen Regionen wie Colorado und Iowa siedelten immer mehr Indianer, ihre Maisfelder gediehen prächtig. Im 13. Jahrhundert aber verschwanden ganze Kulturen wie die Anasazi aus Nordamerika – kein Zufall: Die Abkühlung brachte Dürre.
In Südamerika erstarkte zeitgleich das Inka-Reich; es dehnte sich bald über 4000 Kilometer aus. Zuvor hatten wiederkehrende Dürreperioden bereits das Schicksal der Maya-Kultur besiegelt: Um 1000 ging sie unter.
Auch in Asien bestimmte das Klima wesentlich das Schicksal. Dort ist es vor allem der Monsun, der Regen bringt. Indien erlebte mit dem Mittelalterlichen Optimum einen Aufschwung: Zur ersten Jahrtausendwende erreichte es einen bis zur Neuzeit nicht überbotenen Bevölkerungszuwachs.
Apropos Asien
Angkor Wat, heute Touristenmagnet, war ebenfalls Opfer eines Klimawandels. 802 im Norden Kambodschas gegründet, entstand um den größten je errichteten Tempelkomplex herum eine Stadt für eine Million Menschen, die die Region lange beherrschte – bis im 13. Jahrhundert die Katastrophe vom Himmel kam: Dürren und Fluten wechselten einander ab, das Netz künstlicher Wasserwege, das die Stadt durchzog, kollabierte – die Klimaphänomene El Niño (bringt Ostasien Trockenheit) und La Niña (bringt Güsse) hatten Angkor Wat nachhaltig geschwächt.
Fragt man Klimaforscher Matulla nach einer Faustregel dafür, welches Klima förderlich ist, warnt er vor einfachen Formeln. Warm könnte aber besser sein: „Es schaut so aus, als ob Hochkulturen in sogenannte Gunstphasen fallen würden.“
Fest steht aber: Der Klimawandel wird in der Archäologie zunehmend als Hauptstressfaktor prähistorischer Kulturen angesehen. Nicht nur für die. Historiker Blom: „Auch wir leben wieder in einer Zeit, die auf einen großen Klimawandel zugeht, und wir fragen uns, was sich ändern wird.“