"Juckreiz ist nicht gleich Juckreiz"
Von Ingrid Teufl
Die Leidensgeschichte von Katharina Matzinger begann mit einem harmlos wirkenden, alle paar Wochen wiederkehrenden Ausschlag. Doch nach einer Verkühlung entwickelte sich dieser bei der Wienerin plötzlich zu chronischer Urtikaria (Nesselsucht) am ganzen Körper. Dabei traten juckende Quaddeln und zum Teil Schwellungen des Bindegewebes (Angioödeme) auf. Das Frustrierende: "Die Ärzte fanden keinen Auslöser."
Als Matzinger am Mittwochabend beim Gesundheits-Talk "Chronischer Juckreiz" von KURIER, MedUni Wien und Novartis von ihrer nun folgenden, jahrelangen Odyssee und immer wieder erfolglosen Therapieversuchen mit Cortison und Antihistaminika berichtete, konnten viele Zuhörer mit ihr fühlen. Der ständige Juckreiz beeinträchtigt die Lebensqualität enorm, zeigten die Wortmeldungen. Matzinger: "Erst auf der Spezialambulanz für Urtikaria im Wiener AKH hatte ich das Gefühl, die richtigen Ansprechpartner zu haben. Früher hatte ich bei manchen Ärzten das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden."
Der Weg zur maßgeschneiderten Therapie kann lange dauern, erzählt Univ.-Prof. Hubert Pehamberger, Leiter der Uni-Klinik für Dermatologie der MedUni Wien. "Es ist notwendig, die Patienten längere Zeit durchzuuntersuchen." Univ.-Prof. Georg Stingl, Leiter der klinischen Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten an der MedUni Wien, ergänzt: "Eine exakte Anamnese zu Beginn ist am wichtigsten."
Urtikaria trete in verschiedenen Formen auf. Sogar Sonnenausschläge zählen in weitester Form dazu. Rund 25 Prozent der Bevölkerung sind zumindest ein Mal in ihrem Leben von einer Urtikaria betroffen. "Mit Glück findet man den Auslöser", sagt Pehamberger. Bei bis zu zwei Dritteln der Patienten leider nicht.
Die Behandlung mit Antihistaminika und Cortison gelte als Standardtherapie. "Vielen Patienten ist damit sehr geholfen." Dass dabei die individuelle Tagesdosis wesentlich höher sein könne, als auf der Packung empfohlen, verunsicherte eine Zuhörerin: "Was darf ich nun wirklich?" Stingl unterschied zwischen empfohlener Dosis eines Medikaments und Erfahrung. "Natürlich übernimmt ein Arzt mit seiner Empfehlung auch Verantwortung."
Neues Medikament
Für Katharina Matzinger beendete letztlich ein neues Medikament mit dem Wirkstoff Omalizumab ihren Leidensweg. Es neutralisiert den Botenstoff IgE. Stingl: "Den genauen Wirkmechanismus kennen wir noch nicht."
Die Sorge einer Zuhörerin nach Nebenwirkungen wie bei manchen Urtikaria-Medikamenten konnte er ausräumen. "Das Medikament wird in Österreich seit zehn Jahren gegen seltene Formen von allergischem Asthma eingesetzt. Dadurch gibt es bereits gute Erfahrungen mit der Verträglichkeit."
Die Hoffnung einiger Zuhörer, auf ein neues Allheilmittel bremsten die Experten. "Juckreiz ist nicht gleich Juckreiz. Man darf nicht erwarten, dass ein Medikament gegen alles wirkt", sagt Stingl. Ähnlich beantwortet Pehamberger eine Frage nach dem besten Antihistaminikum. "Es gibt eine Reihe von guten Medikamenten mit jeweils speziellen Indikationen, etwa Heuschnupfen oder Juckreiz."
Der Gesundheitstalk ist eine Veranstaltungsreihe von KURIER, Medizinischer Universität Wien und des Pharmaunternehmens Novartis. Die nächste Veranstaltung ist im September zum Thema Rheuma geplant. Experten und Betroffene werden mit dem Publikum über das Thema diskutieren. Der Termin wird zeitgerecht im KURIER, auf kurier.at und auf der Facebook-Seite "KURIER Gesundheitstalk" bekannt gegeben. Eintritt frei.