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Jedes vierte Kind isst nie Gemüse

Herzinfarkte sind am häufigsten bei Männern Mitte 50 und bei Frauen Mitte 60. „Aber wir sehen heute zunehmend auch früher Infarkte – in Einzelfällen auch schon bei unter 40-Jährigen“, sagt der Kardiologe Univ.-Prof. Kurt Huber. Das kann genetische Gründe haben, häufig aber zeige sich, dass diese Patienten schon sehr früh in ihrem Leben Risikofaktoren wie Übergewicht entwickelt haben: „Übergewicht bei Kindern wird nicht als Krankheit gesehen, obwohl es nachweislich zu erhöhtem Blutdruck, Diabetes und erhöhten Blutfetten führen kann.“

Univ.-Prof. Thomas Stulnig, Leiter der Ambulanz für Fettstoffwechselstörungen, MedUni Wien: „Der Altersdiabetes ist schon lange kein Altersdiabetes mehr. Wir sehen eine steigende Rate von Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen.“

Huber ist Sekretär des Österreichischen Herzfonds, der das Präventionsprojekt „Eddy“ des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin (ÖAIE) finanziert. An vier Wiener Schulen wurden in einem ersten Schritt die Daten von 146 Schülern (10 bis 12 Jahre) erhoben. „Die ersten Daten sind alarmierend“, so ÖAIE-Präsident und Ernährungsmediziner Univ.-Prof. Kurt Widhalm: 24 Prozent der Kinder sind übergewichtig, neun Prozent leiden an Adipositas (Fettleibigkeit), knappe drei Prozent an extremer Adipositas.

Das Ernährungswissen sei teilweise sehr schlecht, mit negativen Auswirkungen auf das tatsächliche Ernährungsverhalten (siehe Grafik). Zum genauen Bewegungsausmaß liegen zwar noch keine Daten vor, aber: „Viele Kinder wollen sich gar nicht bewegen, sind wenig motiviert“, sagt Ass.-Prof. Barbara Wessner vom Institut für Sportwissenschaften der Uni Wien. „Und es gibt eine Tendenz, dass sie sich am Wochenende noch weniger bewegen als unter der Woche.“

Defizite

Viele Schüler hätten deshalb Defizite bei Gleichgewicht, Kraft und Ausdauer. Wessner: „Je nach Studie kommen bis zu 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht auf den empfohlenen Wert von 60 Minuten moderater bis anstrengender Bewegung am Tag.“

Ebenfalls beunruhigend, so Widhalm: „Die Blutbilder der Kinder zeigen weit verbreitete Eisenmangelzustände, Vitaminunterversorgungen, Anomalien im Fettstoffwechsel und weitere gravierende Auffälligkeiten.“ Bis Sommer 2014 soll jetzt versucht werden, den Lebensstil der Schülerinnen und Schüler zu verbessern: 15 Stunden lang wird ein Team von Medizinern, Sport- und Ernährungswissenschaftern sowie Psychologen gemeinsam mit den Lehrkräften den Unterricht gestalten und auch danach immer wieder zur Verfügung stehen. Widhalm: „Solche Präventionsprogramme bräuchten wir aber österreichweit.“ Gesundheitsökonom Thomas Czypionka, Institut für Höhere Studien: „Bei Kindern werden Verhaltensweisen geprägt, die für den Rest ihres Lebens wirken. Prävention ist hier besonders wichtig.“

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Kinder in vielen Ländern haben weniger Herz-Kreislauf-Fitness als vorangegangene Generationen. Dieses Ergebnis einer Analyse von 50 Studien aus 28 Ländern, darunter Deutschland, präsentierten Experten beim Jahreskongress der amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) in Dallas in den USA.

Demnach hat die Herzkreislauf-Fitness der Kinder seit 1975 abgenommen. Die Ausdauerleistung bei körperlicher Belastung ging nach einer Kongress-Mitteilung in jedem Jahrzehnt um etwa fünf Prozent zurück. Wenn ein junger Mensch generell nicht fit sei, dann steige die Wahrscheinlichkeit für Herzkreislauferkrankungen im späteren Leben, sagte der Gesundheitswissenschafter Grant Tomkinson von der Universität von Südaustralien in Adelaide.

Um 15 Prozent weniger fit

Kinder seien etwa um 15 Prozent weniger fit als ihre Eltern in deren Jugend. Beim Laufen einer Meile (etwa 1,6 Kilometer) seien Kinder heute etwa eineinhalb Minuten langsamer als der Nachwuchs vor 30 Jahren. Dafür gibt es laut Tomkinson verschiedene Ursachen wie soziale oder körperliche Faktoren. In 30 bis 60 Prozent der Fälle könne der Trend mit einer Zunahme des Körperfetts erklärt werden. Die wichtigste Form an Fitness für eine gute Gesundheit sei ein Herzkreislaufsystem, mit dem man beispielsweise fähig sei, mehrere Runden im Stadium zu rennen. Die Forscher nahmen sich Studien aus den Jahren 1964 bis 2010 vor. Sie enthielten Daten von mehr als 25 Millionen Kindern zwischen neun und 17 Jahren. In den Studien ging es darum, wie schnell die Kinder eine bestimmte Strecke rennen oder wie weit sie in einer bestimmten Zeit laufen konnten. Die Tests dauerten in der Regel fünf bis 15 Minuten oder bezogen sich auf eine Strecke von einer halben bis zwei Meilen.

Zu den untersuchten Ländern gehörten Staaten aus allen Kontinenten. Auch Angaben aus Deutschland flossen mit ein: Laut Tomkinson handelt es sich um Ergebnisse aus Lauftests mit fast 2.000 Kindern zwischen neun und zehn Jahren, die allerdings bereits in den Jahren 1985 bis 1999 durchgeführt wurden. Die Ausdauer der Kinder in Deutschland sei in diesem Zeitraum um sechs Prozent pro Jahrzehnt zurückgegangen, das entspreche dem Fitness-Rückgang von Kindern in Australien und Neuseeland. Zum Vergleich: In den USA und Kanada ging die Ausdauer im selben Zeitraum um acht Prozent pro zehn Jahren zurück. In der Zeit zwischen 1970 und 2000 sank die Herzkreislauf-Fitness bei US-Kindern um sechs Prozent pro Jahrzehnt.