Immer mehr sehr schwere Verletzungen durch Böller
Von Ernst Mauritz
"Seit einigen Jahren sehen wir einen Anstieg bei den sehr schweren Verletzungen durch Silvesterraketen und Böller." Das sagt Univ.-Prof. Lars-Peter Kamolz, Leiter der Klinischen Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am LKH-Univ. Klinikum Graz im KURIER-Gespräch.
Zwei Ursachen
Für den deutlichen Anstieg in den vergangenen Jahren gebe es zwei Gründe: "Die Leute basteln offenbar selbst mehr herum, machen zum Beispiel aus drei Böllern einen. Und sie verwenden häufiger Produkte vom Schwarzmarkt, wo oft Bedienungsanleitungen und Zeitangaben zum Zündzeitpunkt fehlen." Generell sollten aber nur zugelassene Produkte mit CE-Prüfzeichen verwendet werden.
Bis zu 15 Stunden kann ein chirurgischer Eingriff nach einer schweren Handverletzung dauern. Kamolz: "Wenn wir die Entscheidung treffen, dass es eine Chance gibt, einen abgetrennten Finger zu retten, dann liegt die Erfolgsquote heute bei mehr als 80 Prozent. Es gibt aber auch Fälle, wo die Zerstörungen so massiv sind, dass zum Beispiel fehlende Finger nicht mehr wiederhergestellt werden können."
Langzeitrisiken
Auch bei bester chirurgischer Versorgung ist das Risiko hoch, dass es zu bleibenden Funktionseinschränkungen kommt. "Selbst bei kleinen Verletzungen kann dies der Fall sein. Es können zum Beispiel Narben entstehen, die weitere Operationen notwendig machen. Solche Verletzungen können sehr langfristige Folgen haben."
"Mitunter kann ein wochenlanger Arbeitsausfall di e Folge sein", sagt auch der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Handchirurgie, Martin Leixnering. "Oftmals werden wichtige Gefäße und Nerven zerrissen." Die Rehabilitation kann viele Monate dauern Und im Gegensatz zu Arbeitsunfällen besteht bei Freizeitunfällen kein gesetzlicher Rentenanspruch. "Nach wie vor wird die Gefahr von Böllern leider viel zu oft unterschätzt", betont Kamolz.
Feuerwerk für Ohren
Auf eine andere gesundheitliche Folge der Silvesterknallerei machte die Firma Hansaton in einer Aussendung aufmerksam: "Explodierende Knallkörper können Spitzenwerte von bis zu 170 dB erreichen. " Ein startendes Düsenflugzeug kommt auf ungefähr 120 dB: "Explodiert ein Böller direkt neben unserem Ohr, führt das fast unweigerlich zu einem akustischen Trauma des Innenohrs." Für das sogenannte Knalltrauma genügt es, wenn das Ohr zwei Millisekunden einem Impuls von mehr als 150 dB ausgesetzt ist. Die Symptome reichen von einem Geräusch im Ohr bis zur Hörminderung und sogar Schwindel. "Im Extremfall kann so ein Trauma sogar zu dauerhafter Schwerhörigkeit oder Taubheit führen."
Wie Sie einen Finger retten
Wird ein Finger abgetrennt, das Amputat nicht selbst säubern, sondern in ein möglichst steriles Tuch einwickeln und in einen wasserdichten Beutel geben. Dieser Beutel gehört in einen zweiten, der mit kaltem Wasser und Eiswürfeln gefüllt ist.
Auf keinen Fall darf das Amputat direkt auf Eis aufliegen.
Die Unfallstatistik
97 Prozent der Opfer durch Unfälle mit pyrotechnischen Artikeln sind Männer.
65 Prozent sind unter unter 25 Jahre,
20 Prozent unter 15 Jahre alt.
Rund 600 Menschen werden jährlich im Spital behandelt.