"Riesenproblem für Gesellschaft"
Von Ernst Mauritz
Es ist für den Körper eine Situation wie in der Steinzeit auf der Flucht: Die Organe melden bei Herzschwäche, dass sie nicht ausreichend mit Blut versorgt werden. „Daraufhin treibt der Sympathikusnerv den Organismus an und gibt Gas“, sagt Univ.-Prof. Burkert Pieske, Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und Leiter der Kardiologie der MedUni Graz: „Aber damit wird das Herz nur noch immer mehr in die Herzmuskelschwäche hineingetrieben.“
Mindestens 300.000 Österreicher sind von Herzschwäche betroffen. Medikamente können diese Überaktivierung unterdrücken, auch Bewegung: „Neue Daten zeigen, dass selbst relativ leichte Aktivität wie Yoga oder bewegungsorientierte Spiele eine Herzschwäche sehr günstig beeinflussen können.“
Das ist nicht die einzige Neuigkeit, die Österreichs Kardiologen in den kommenden Tagen auf ihrer Jahrestagung in Salzburg besprechen werden: So zeigt sich immer deutlicher ein Zusammenhang von Diabetes und Herzmuskelschwäche. „Nur einer von sechs Patienten mit Herzmuskelschwäche hat keine Störung des Zuckerstoffwechsels“, sagt Univ.-Prof. Gerald Maurer, Leiter der Uni-Klinik für Innere Medizin II (Kardiologie) der MedUni Wien am AKH Wien. „Beide Erkrankungen haben eine Reihe gemeinsamer Risikofaktoren wie etwa Bewegungsmangel“, sagt Maurer. Überdies können einige der oralen (zu schluckenden) Anti-Diabetes-Medikamente (Sulfonylharnstoffe, Glitazone) eine Herzschwäche verschlechtern, ihr Einsatz muss deshalb genau auf ihre Nutzen-Risiko-Bilanz untersucht werden. Andererseits fördern typische Begleiterscheinungen von Herzschwäche – etwa der Verlust an Muskelmasse – die Entwicklung von Diabetes.
Fazit: „Diese Erkenntnisse bedeuten noch einen Grund mehr für ausreichend Bewegung bei beiden Erkrankungen“, betont Pieske.
„Herzschwäche ist ein Riesenproblem für unsere Gesellschaft. Sie ist eine der häufigsten Erkrankungen und eine der häufigsten Todesursachen“, betont Maurer. Die Schätzung auf rund 300.000 Betroffene in Österreich erscheine ihm noch zu niedrig. Ohne Therapie ist die Sterblichkeit in etwa genauso hoch wie bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen. Doch auch die Lebensqualität ist massiv eingeschränkt: Männer haben eine verfrühte Andropause mit Testosteron- und Libidomangel, Impotenz, Ängstlichkeit und depressiven Verstimmungen.
Frühzeitige Therapie
Die Forschung an zahlreichen Kliniken trägt maßgeblich zur Verlängerung der Lebenserwartung der Patienten bei, betonen die Kardiologen: „Aber die Finanzierung unabhängiger Projekte wird immer schwieriger.“ Wer die Forschung unterstützen will, kann dies über die Österreichische Herzstiftung tun: BLZ 12.000, Kontonummer 50463013138.
Keine aktiven Ersthelfer bei jedem zweiten Herzstillstand
2011 fand in Wien nur in 49 % der Fälle von plötzlichem Herzstillstand der Versuch einer Reanimation durch einen Ersthelfer vor Eintreffen des Rettungsdienstes statt. In den Niederlanden leiteten 65 % der Zeugen lebensrettende Sofortmaßnahmen ein, in Norwegen sind es bis zu 73 %. Als Grund für die unterlassene Hilfeleistung wurde in Wien von Befragten in erster Linie die Angst vor Fehlern und Unwissenheit angegeben. Das will jetzt der Verein Puls ändern: „Ersthelfer können die Überlebenswahrscheinlichkeit von durchschnittlich fünf Prozent auf bis zu über 70 % erhöhen“, sagt Harry Kopietz, Erster Präsident des Wiener Landtags und Vereinspräsident. „Durch kräftigen Druck in der Mitte des Brustkorbs und den raschen Einsatz eines Defibrillators können Zeugen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes effizient Erste Hilfe leisten“, so Notfallmediziner Mario Krammel, MedUni Wien. „Bei der Ersten Hilfe kann man nichts falsch machen – außer man tut gar nichts.“