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Hebammenambulanz: Fast wie eine Hausgeburt

Wenn alles nach Plan verläuft, kommt Julia Krall mit keinem Arzt in Kontakt, bis ihr Baby im April im Wiener AKH zur Welt kommt. Gut betreut fühlt sich die 29-jährige Wienerin dennoch. Sie ist eine der ersten Schwangeren, die sich für das neue Angebot der Hebammenambulanz im Wiener AKH entschieden haben.

Ihr erstes Kind – Simon ist jetzt 20 Monate alt – lag in einer Steißlage. "Da war klar, dass die Geburt anders ablaufen wird, als ich es mir vorgestellt hatte." Beim zweiten Kind möchte sie ein weniger klinisches Umfeld. "Ich habe einen Mittelweg zwischen Hausgeburt und Krankenhausatmosphäre gesucht. Mit dem Konzept der Hebammengeburt konnten sich mein Mann und ich gleich anfreunden."

Ausschließlich in Hebammen-Händen

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Das Besondere daran ist: "Die werdende Mutter wird von der Anmeldung an bis zur Zeit nach der Geburt ausschließlich von Hebammen betreut und sieht im Idealfall keinen Arzt", erklärt Christa Hauser-Auzinger, Oberhebamme im AKH, das Konzept. Einzige Voraussetzung: eine unauffällig verlaufende, "normale" Schwangerschaft und die weitere Betreuung durch niedergelassene Hebammen nach der Entlassung aus dem Spital.

Normalfall arztgeführte Geburt

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Im Gegensatz dazu wird die Schwangere bei einer üblichen, sogenannten arztgeführten Geburt im Spital von Ärzten betreut, ergänzt der Gynäkologe und Geburtshelfer Univ.-Prof. Herbert Kiss von der Uni-Klinik für Frauenheilkunde, MedUni und AKH Wien. "Sie führen die Untersuchungen vor und nach der Geburt sowie Kontrollen durch, die Hebammen assistieren." Ein weiterer Faktor: "Bei einer Hebammengeburt reduziert sich die Zahl der im Kreißsaal anwesenden Personen um die Hälfte."

Private Atmosphäre

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Eine ruhigere, weniger medizinisch geprägte Atmosphäre kommt den Bedürfnissen vieler werdender Eltern entgegen. Zudem möchten sie immer öfter so bald wie möglich in ihre private Umgebung zurückkehren. Für diese Paare, die eine sogenannte ambulante Geburt bevorzugen, soll die Hebammenambulanz ein Angebot sein. "Das beeinflusst die Geburtskapazität der bestehenden Abteilung überhaupt nicht", betont Kiss. Zumal in der Uni-Klinik vorrangig komplizierte Geburten betreut werden. "Dieses Angebot ist als Ergänzung im Bereich der ambulanten Geburt zu sehen."

Kein Konkurrenzdenken

Konkurrenz gibt es keine, betont Kiss. "Das gibt es heute nicht mehr, wir sind ein Team. Wir wissen, dass von Hebammen nachbetreute Frauen weniger Probleme haben, etwa wenn es ums Stillen geht." Die Frau vor, während und nach der Geburt ohne Arzt zu betreuen, sieht auch Hauser-Auzinger positiv. "Es entspricht unserem Berufsbild. Hebammen haben schon immer eigenverantwortlich gearbeitet, Geburten geleitet und die Neugeborenen untersucht." Dafür werden moderne Geräte zur Kontrolle der Herztöne des Kindes ebenso eingesetzt, wie altbekannte Handgriffe, die Vermessung des knöchernen Beckens mittels Beckenzirkel. Im Jahr 2017 – vor Eröffnung der neuen Ambulanz – gab es 41 Hebammengeburten im AKH.

Medizinische Versorgung bei Komplikationen

Hauser-Auzinger führt noch einen Vorteil der Ambulanz an: Falls im Verlauf von Schwangerschaft oder Geburt Komplikationen auftreten, ist die medizinische Versorgung direkt im Haus gewährleistet. "Bei einer Hausgeburt muss die Frau erst in ein Spital gebracht werden."

Sieben Kreißsäle

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Im AKH ist die Neonatologie direkt neben dem Kreißsaalbereich angesiedelt. Und dieser liegt völlig abseits der Hektik eines Großspitals wie dem AKH. Sieben Kreißsäle und zwei spezielle Baderäume stehen zur Verfügung, 44 Hebammen sind tätig. "Das Personal wurde dafür aufgestockt", sagt Kiss. Julia Krall hat sich schon vor Ort ein Bild gemacht: Sie möchte eine Geburtsbadewanne nutzen.

Infos: Anmeldung ab 25. Schwangerschaftswoche nach Terminvereinbarung unter 01/40400-23530 (Di, Mi, Fr 12.30-13.30 Uhr) oder hebammenambulanz@akhwien.at. Mehr Infos über die Hebammengeburt finden Sie hier.