Wissen/Gesundheit

Ruhe bitte! Warum uns zu viel Lärm krank macht

Der "Tag gegen den Lärm" bietet nicht nur eine gute Gelegenheit, mehr über das Phänomen des Schalls zu erfahren (Details zum Aktionstag siehe Infobox weiter unten). Er sollte auch allen bewusst machen, wie sehr Lärm die Gesundheit beeinträchtigen kann.

"Lärm ist oft ein unbewusster Begleiter in unserem Alltag. Unser Gehör verträgt aber pro Woche nur ein gewisses Pensum an Lautstärke. Daher ist es wichtig, seinen Ohren zwischendurch auch Ruhepausen zu gönnen", erläutert Gerald Icha, Hörakustik-Meister beim Hörakustikunternehmen Neuroth. 

Veranstaltungen: Wann ist Schall Klang und wann Lärm? Das erfahren Besucherinnen und Besucher in Mitmachstationen. Und sie erleben, wie man mit Cochlea Implantaten hört. Der Fachbereich Numerik erklärt, wie man Lärmquellen orten kann. Mittels interaktiven Spielen kann man akustische Signale oder Sprache analysieren. Mit dem Ultraschallgerät können die Zungenbewegungen beim Sprechen sichtbar gemacht werden. etc. 

Ort: Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wohllebengasse 12-14, 1040 Wien

Zeit: Mittwoch, den 26. April, 15 bis 20 Uhr

Auskunft: sekretariat.isf@oeaw.ac.at, Tel. 01/ 51581 2520

2 Millionen leiden unter Verkehrslärm

In Österreich sind laut den Europäischen Umweltagentur rund 2,1 Millionen Menschen lautem Verkehrslärm ausgesetzt. "Ab einer Lärmbelastung von rund 55 Dezibel fällt die Konzentration bereits immer schwerer. Auch der Stresspegel erhöht sich, was zum Beispiel Bluthochdruck oder Schlafprobleme auslösen kann", sagt Icha.

Dass Lärm vor allem bei jungen Leuten auf Dauer auch zu Gedächtnisstörungen führen kann, zeigt eine aktuelle Schweizer Studie, die kürzlich im Fachblatt Environmental Research veröffentlicht wurde. Auch mögliche psychische Auswirkungen wurden darin aufgezeigt.

In Ballungszentren kann es vor allem in der Nacht lauter sein, sodass man nur schwer Ruhe findet. Tipp: Um auch in lauterer Umgebung gut schlafen zu können, ist ein spezieller Gehörschutz, der individuell angepasst wird, eine sinnvolle Maßnahme.

Laute Musik geht

Auch intensives Musikhören über Kopfhörer oder Besuche von Konzerten und Diskotheken zählen zu möglichen Lärmquellen, die sich auf Dauer negativ auf die persönliche Hörstärke auswirken können – genauer gesagt ab 85 Dezibel. "Beim Musikhören geht es zum Beispiel nicht nur um die Lautstärke, sondern auch um die Einwirkdauer. Hört man Musik mit einer Lautstärke von rund 100 Dezibel, liegt das für das Ohr maximal verträgliche Pensum bei lediglich 15 Minuten pro Tag", erklärt Icha.

Stundenlange Konferenzen via Telefon oder Video mit Kopfhörern stellen ebenfalls eine Belastung für unser Gehör dar. Genauso kann es am Wochenende zuhause laut werden – zum Beispiel beim Heimwerken oder Rasenmähen. Ein passender Gehörschutz kann da Abhilfe schaffen.

Hintergrund: Eine lärmbedingte Hörminderung ist die zweithäufigste Form nach der Altersschwerhörigkeit. Ein regelmäßiger Besuch beim HNO-Arzt ist daher angeraten.

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Geschichte des Lärms

Mit "Die Welt ist laut" hat der deutsche Journalist Kai-Ove Kessler seine Reise durch die Geschichte jener Geräusche und Klänge betitelt, die Menschen begleiten und mitunter quälen. Da Tonaufzeichnungen erst seit Ende des 19. Jahrhunderts möglich sind, hat er anhand von Tagebüchern, Reportagen, Grafiken, Konstruktionszeichnungen, Bildern "und sogar archäologischen Befunden"  historischen Lärm beschrieben.

Als Ergänzung zur Fantasie sind über das Buch QR-Codes verteilt, mit denen sich diverse Klänge abrufen lassen: von jenen eines Nachbaus einer prähistorischen Flöte bis zur mobilen Kakophonie der Nachkriegszeit.

Geht Kessler zunächst den Fragen nach, ob der T. Rex wie ein Hahn krähte und wie laut wohl der Asteroideneinschlag war, der dem Dino ein Ende bereitete, erzählt er dann, wie der Mensch den Lärm erfand. War es zunächst das Eineinanderschlagen von Steinen, bedeutete in der Antike Lärm gleich Macht. Kessler lässt zum Beispiel die Großbaustellen im alten Ägypten und das Getöse, Geschrei und Rattern im alten Rom (zumindest im Gedanken seiner Leser) erklingen.

Mit vielen Anekdoten angereichert, berichtet er etwa, wie Pythagoras als Erster niederschrieb, dass sich hinter dem Lärm Muster verbergen, und er so den Weg für Akustikforschung ebnete.

Schon immer ein Ärgernis

Beschwerden über Lärm gab es seit Menschengedenken. "So viel wie du fürs Brüllen einnimmst, du Ruhestörer, wollen wir dir zahlen, nur halte das Maul!", schrieb der Dichter Martial (40-103/4 n. Chr.) in einem Epigramm über einen stimmgewaltigen Lehrer. Sprung nach London des 19. Jahrhunderts: Als Straßenmusikanten die Metropole "überschwemmten", entstand das Sprichwort "Gib dem Pfeifer einen Penny, damit er spielt. Und gib ihm zwei Pence, damit er wieder aufhört". Und schon Napoleon waren feiernde Menschen ein Gräuel: "Dummköpfe haben Lärm gerne, und die Menge besteht aus Dummköpfen."

Industrielle Revolution

Dass Lärm die Gesundheit beeinträchtigt, wurde spätestens mit der industriellen Revolution immer klarer. Hatte es früher einzelne Geräusche gegeben, die plötzlich auftraten und wieder verschwanden, schufen Fabriken und Maschinen eine permanente Lärmkulisse. Kessler berichtet von ersten Maßnahmen dagegen – und wie der Straßenverkehr letztendlich den Klang der Stadt entscheidend zu beeinflussen begann.

Auch dem lautesten vernommenen Geräusch der Weltgeschichte widmet sich der Autor: dem Ausbruch des indonesischen Vulkans Krakatau im August 1883 – die Schallwelle umlief die Erde dreieinhalb Mal.

"Die Welt ist laut" ist keine wissenschaftliche Abhandlung über Akustik, sondern ein informativer wie unterhaltsamer Streifzug durch die vor allem europäische Geschichte anhand von Lärm  nicht lückenlos, oft abschweifend, aber gründlich recherchiert und gekonnt verfasst.

Buchtipp: Kai-Ove Kessler: "Die Welt ist laut - eine Geschichte des Lärms", Rowohlt Verlag, 448 Seiten, 27,50 Euro