Krebstherapie: Neue Option zur Behandlung von dauerhaftem Haarverlust
Die gezielte Therapie mittels sogenannter EGFR-Hemmer hat sich bei verschiedenen Tumorarten bewährt, allerdings können mögliche Nebenwirkungen für die Patientinnen und Patienten belastend sein. Gefürchtet ist die vernarbende Alopezie - dauerhafter Haarverlust, der bisher nur verzögert, aber nicht rückgängig gemacht werden kann.
Forschende der MedUni Wien haben nun JAK-Inhibitoren als Wirkstoffe identifiziert, die das Haarwachstum reaktivieren können, berichteten sie nun.
Die aktuell im Fachjournal EMBO Molecular Medicine publizierten Ergebnisse verbessern das Verständnis der Alopezie und legen den Grundstein für die erste Therapieoption, die am Mechanismus der Erkrankung ansetzt. In den Mittelpunkt ihrer Studie stellten die Forscherinnen und Forscher des Zentrums für Krebsforschung der MedUni Wien und Kooperationspartnern u.a. der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien das Protein EGFR, das im Kampf gegen Tumorzellen bei bestimmten etablierten Krebstherapien blockiert wird.
EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor) ist ein Rezeptor, der u. a. auf Hautzellen vorkommt und wichtige Zellfunktionen steuert.
Angst vor vernarbendem Haarverlust
Untersuchungen an Haarstammzellen mit modernen Sequenziermethoden zeigten, dass eine Störung des EGFR-Signalwegs die Überaktivierung einer anderen Signalkette (JAK-STAT1) in den Haarwurzeln bewirkt. Die dadurch ausgelösten Immun- und Entzündungsreaktionen führen zur Zerstörung der Haarfollikelstammzellen und schließlich zu vernarbendem Haarverlust, der zikatrischen Alopezie.
Weitere Experimente an präklinischen Mausmodellen ergaben, dass durch gezielte Hemmung dieser Signalkette mittels JAK-Inhibitoren das Fortschreiten der Entzündung verlangsamt und das Haarwachstum reaktiviert werden kann. "Untersuchungen an Hautproben von Patientinnen und Patienten mit vernarbender Alopezie sowie von Krebspatienten, die EGFR-Hemmer einnehmen, bestätigten diese Erkenntnisse", berichtete Erstautorin Karoline Strobl vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien. JAK-Inhibitoren sind Wirkstoffe, die in der Behandlung anderer Autoimmunerkrankungen wie etwa rheumatoide Arthritis bereits eingesetzt werden.
Häufige Nebenwirkung belastet Betroffene stark
Krebstherapien, die den EGFR-Rezeptor blockieren, sind bei vielen Tumorarten wie Lungenkrebs oder Darmkrebs etabliert, da sie das Tumorwachstum gezielt hemmen. Häufige Nebenwirkungen dieser Behandlung sind jedoch chronische Entzündungen der Haut und dauerhafter Haarverlust, was für die Betroffenen eine starke Belastung darstellt. In einigen Fällen muss die Medikamentendosis verringert oder die Behandlung sogar ganz abgebrochen werden, um die Nebenwirkungen zu mildern, was wiederum den Erfolg der Krebstherapie gefährdet.
"Unsere Forschung zeigt, dass eine Blockade der JAK-Signalkette bei der Behandlung von vernarbender Alopezie vielversprechend ist. JAK-Inhibitoren können das Entzündungsgeschehen im Haarfollikel gezielt dämpfen und den Haarverlust bei rechtzeitigem Therapiebeginn sogar rückgängig machen", fasste Studienleiter Thomas Bauer vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien die Ergebnisse zusammen.
Weitere Studien sind nötig, um die langfristige Wirksamkeit dieser Therapie bei Patientinnen und Patienten zu evaluieren. "Diese Option ist nicht nur für Krebspatientinnen und -patienten mit EGFR-Inhibitor-Nebenwirkungen aussichtsreich, sondern auch für andere Arten von vernarbender Alopezie, für die es bisher keine wirksamen, beim Mechanismus der Erkrankung ansetzenden Behandlungsmöglichkeiten gibt", ergänzte Co-Studienleiterin Maria Sibilia, Leiterin des Zentrums für Krebsforschung der MedUni Wien.