Wissen/Gesundheit

Coronavirus: Impfstofftests bisher eher rar, Wien aber "interessant"

Um die 180 Impfstoffkandidaten bringt man weltweit gegen das neue Coronavirus in Stellung, einige davon werden auch bereits in groß angelegten Phase-III-Studien erprobt. In Österreich tut sich punkto Impfstofftests bisher noch "verhältnismäßig wenig", sagte der Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien, Markus Zeitlinger, zur APA. Es gibt aber kleinere Initiativen, zudem könnte Wien auch für größere internationale Studien interessant sein.

Zulassungen erster Vakzine gegen das SARS-CoV-2-Virus in Europa könnten laut Zeitlinger durchaus noch im Dezember oder Jänner kommen. Wenn dem tatsächlich so ist und auch hierzulande genügend Impfdosen bereit stünden, gehe es vor allem um das Erreichen einer hohen Durchimpfungsrate. Hier sollte man sich auch darum bemühen, die in den vergangenen Monaten gestiegene Anzahl an Skeptikern zu überzeugen, denn "es geht um viel", so der Internist.

Davor und danach stehen aber noch zahlreiche klassische Impfstudien von in fortgeschrittener Entwicklung befindlichen aktiven Vakzinen an, die salopp gesagt den Körper durch die Konfrontation mit Teilen des Virus zu einer Immunreaktion anregen sollen. Auf dem Gebiet habe sich hierzulande aber bisher relativ wenig getan. Im Laufen sei allerdings etwa ein kleiner Teil einer internationalen Studie mit dem Impfstoffkandidaten "v591". Dahinter steckt das vor kurzem von MSD, einer Firma der US-amerikanischen Merck & Co, übernommene Wiener Unternehmen Themis Bioscience.

Hier werden gewisse Teile des charakteristischen "Spike-Antigens" des SARS-CoV-2-Virus hergenommen, die keine Infektion auslösen können. Diese werden in unschädlich gemachte Masern-Viren gepackt und injiziert. Das geschieht nun im Fall von 25 Probanden auch am Institut für Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien, so Zeitlinger.

Wiederum an seiner Klinik bereite man momentan eine weitere Studie vor, die noch "etwas fortgeschrittener in der Entwicklung" sei als dies bei Merck & Co der Fall ist. In Wien würde der Impf-Fokus auf bis zu 200 älteren und kranken Menschen liegen. Es gehe dann darum herauszufinden, "ob hier die Immunantwort vergleichbar ist". Hier handle es sich um einen RNA-Impfstoff, der Erbgut des SARS-CoV-2-Erregers enthält. Die Körperzellen der Probanden sollen dann mit Hilfe dieser Information Proteine des Coronavirus herstellen, gegen die schließlich das Immunsystem Abwehrfähigkeiten entwickelt. Die Erstanwendung im Menschen habe der Impfstoff, dessen Herstellername Zeitlinger noch nicht nennen darf, bereits hinter sich.

Wiener Kandidat

Eine sozusagen originäre Wiener Entwicklung ist der Vakzin-Kandidat eines Teams um Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien. Im Gegensatz zu fast allen anderen Impfstoffen ist hier nicht das charakteristische "Spike-Protein" auf der Virus-Oberfläche das Ziel des Impfstoffes. Dieser "sehr interessante" Ansatz sei aber erst in der präklinischen Phase, also noch nicht in der Anwendung beim Menschen. "Es könnte aber in den nächsten Monaten soweit sein", sagte Zeitlinger.

Der Wissenschafter und sein Team haben sich darüber hinaus auch um die Teilnahme an einer groß angelegten Phase-III-Studie im von der WHO ins Leben gerufenen internationalen "Solidarity"-Verbund beworben. Hier ist das Ziel, alle aktuell sehr vielversprechenden, weil so weit fortgeschrittenen Kandidaten, in ihrer Wirksamkeit miteinander zu vergleichen. Dies sind vor allem die Initiativen von AstraZeneca, Pfizer/Biontech, Moderna oder Sinovac. Wo diese Studien lanciert werden, hänge aber eng mit dem lokalen Pandemieverlauf zusammen.

Wien als Testraum interessant

Denn um einen erhöhten Schutz vor einer Infektion nachzuweisen, braucht es in einer Region eine bestimmte Anzahl an Fällen. Mit den momentan steigenden Infektionszahlen wird beispielsweise Wien als Ballungsraum für derartige Tests gerade interessanter, so der Experte. Eine Stadt, die sich nach sehr hoher Durchseuchung bereits in Richtung Herdenimmunität bewegt, wäre wiederum weniger attraktiv für solche Untersuchungen.

Damit ein Vakzin für die Studie infrage kommt, müsse es vor allem gute Informationen über Sicherheit, mögliche Nebenwirkungen, zur Frequenz der Gabe oder zur sicheren Lagerung und zur Verfügbarkeit geben. Bezüglich der Probanden ist man vor allem auf der Suche nach "Menschen, die sich potenziell anstecken könnten", also etwa Personen mit eher vielen Sozialkontakten wie Studenten oder erwerbstätige jüngere Erwachsene, erklärte Zeitlinger. Ein großer Nachteil vieler Studien liege aktuell darin, dass Vertreter der vulnerablen Gruppen, wie ältere Menschen, oft deutlich unterrepräsentiert sind. Auch Kinder finden sich kaum in derartigen Untersuchungen, was sich auch auf die Modalitäten der Zulassung auswirken würde. "Das ist eine Lücke, die die WHO-Studie schließen möchte", so der Experte.