Coronakrise: "Die Natur ist die beste Therapeutin"
Von Julia Pfligl
Die Krise hat den Wald zum Sehnsuchtsort Nummer eins gemacht: Selbst eingefleischte Stadtpflanzen schwirrten während des Lockdowns regelmäßig aus, um Corona-Angst und Maskenpflicht beim Bärlauchbrocken und Blumenpflücken zu entkommen. Das Phänomen der „Naturflucht“ in Unruhezeiten behandelt die österreichische Diplomatin und Sachbuchautorin Gerlinde Manz-Christ in einem neuen Buch, das bereits vor der Corona-Krise entstanden ist – und jetzt bei vielen Menschen einen besonderen Nerv trifft.
„Die Natur ist eine unerschöpfliche Kraftquelle“, sagt die gebürtige Linzerin, die als Kind viel Zeit bei ihren Großeltern in den Montafoner Bergen verbrachte und später als Diplomatin auf der ganzen Welt zu Hause war. Heute ist die promovierte Juristin als „Naturdiplomatin“ selbstständig und hilft digital-gestressten Menschen bei Retreats in den Bergen, ihre innere Mitte zu finden.
Verloren im Alltag
Ohne Natur geht das nicht, ist Manz-Christ überzeugt: „Die Natur ist die beste Therapeutin für viele Zivilisationskrankheiten: Wenn wir uns in der Hektik des Alltags verloren haben, nicht wissen, wo uns der Kopf steht und dadurch Symptome des Unwohlseins, der Erschöpfung oder der Sinnkrise haben, dann hilft uns die Verbindung mit der Natur, Kraft, Klarheit und Kreativität zu tanken.“
Wenn wir die Natur mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen, kommen wir schnell von ‚Sorgen machen‘ zu ‚entspannen‘
Sie selbst, sagt sie, hätte den Stress als alleinerziehende Mutter, Karrierefrau und Krisenmanagerin von Regierungen und Persönlichkeiten ohne ihre Naturverbundenheit nicht überstanden. Die vielseitige heilende Wirkung von Wald und Wiese wurde in unzähligen Studien dokumentiert. Vor allem ängstliche Menschen sollten sich jetzt „Rauszeiten“ nehmen, rät Manz-Christ: „Wenn wir die Natur bewusst mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen, kommen wir schnell vom ‚Sorgen machen‘ zu ‚Beobachten und Entspannen‘. Der innere Frieden, der dadurch entsteht, ist unsere Mitte. In diesem Zustand können wir klarer denken und bessere Entscheidungen treffen.“
Vertrauen in den Fluss
Erfahrung sammelte die 60-Jährige unter anderem bei indigenen Völkern im Norden Amerikas. Dort lernte sie auch, wie wichtig es gerade in schwierigen Zeiten ist, auf den Fluss des Lebens zu vertrauen: „Die Menschheitsgeschichte ebenso wie viele Biografien herausragender Persönlichkeiten zeigen, dass es Krisen sind, die uns in der Entwicklung weiterbringen. Krisen sind ein Wendepunkt und beinhalten die Chance zu Wandel und Transformation. Dies ist nicht immer angenehm, aber langfristig gesehen meist ein Gewinn.“
Buchtipp: „Ankommen. Aufatmen. Sich selbst wiederfinden durch Naturverbundenheit“, 256 Seiten und 36 Naturbilder. 29,90 €. Erschienen bei tredition Verlag Hamburg.