Corona schränkt Lebenserwartung in ganz Europa deutlich ein
Die Lebenserwartung hat sich einer Analyse unter Leitung Rostocker Wissenschaftler zufolge in den europäischen Staaten in der Corona-Pandemie sehr unterschiedlich entwickelt. Während sie demnach in Bulgarien Ende 2021 um 43 Monate niedriger lag als 2019 noch, stieg sie in Norwegen um 1,7 Monate. Deutschland lag mit einer um 5,7 Monate geringeren Lebenserwartung im oberen Mittelfeld, wie die Gruppe um Jonas Schöley vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung berichtet.
„Die periodische Lebenserwartung ist ein zusammenfassendes Maß für den aktuellen Gesundheitszustand der Bevölkerung; wenn die Sterblichkeit in einer Bevölkerung zunimmt, sinkt die Lebenserwartung“, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachjournal Nature Human Behaviour. Sie untersuchten die Entwicklung in 29 Staaten in den Jahren 2015 bis 2021, mit besonderem Augenmerk auf die beiden Pandemiejahre. Neben vielen europäischen Staaten bezogen Schöley und Kollegen auch die USA und Chile ein.
Dass Sterberaten von Jahr zu Jahr variieren, ist zwar üblich, die Situation rund um die Ausbreitung von Covid-19 ab dem Frühjahr 2020 stellt aber eine Ausnahme dar. Nur wenige Länder wie Norwegen, Finnland oder Dänemark bzw. Australien und Neuseeland berichteten im Jahr 2020 über keinen Rückgang der Lebenserwartung. Im Jahr darauf wurde das Bild aber deutlich "vielschichtiger", schreiben die Wissenschafter. Hier zeigten sich bereits Effekte von früheren durchgemachten Infektionen, die Wirksamkeit von Eindämmungsmaßnahmen und die Auswirkungen der Impfkampagnen, die die Sterberaten dämpften.
Österreich
Die Covid-Pandemie hat in Österreich im Jahr 2020 für ein markantes Absinken der Lebenserwartung gesorgt. Im Jahr darauf hat sich das Blatt im Durchschnitt aber bereits wieder gewendet, wenn auch nicht in allen Altersgruppen gleichermaßen. Einer internationalen Vergleichsstudie im Fachblatt "Nature Human Behavior" zufolge ist dieser Trend in vielen westlichen Ländern zu beobachten. In den USA oder in Osteuropa fiel die Lebenserwartung bis zum Ende 2021 aber weiter deutlich.
Für Österreich weist die Studie für das Jahr 2020 einen Verlust der Lebenserwartung von minus 8,1 Monaten im Vergleich zu 2019 aus. Die Lebenserwartung lag bei Frauen 2020 bei 83,6 und bei Männern bei 78,9 Jahren. Dann kam es allerdings zur Trendumkehr: Der Wert stieg 2021 wieder um 0,5 Monate an. Im Vergleich mit 2019 lag das Minus also bei 7,6 Monaten. Damit liegt Österreich in etwa im gleichen Bereich wie Portugal, Italien, die Niederlande, Spanien, England und Wales oder Slowenien. All diesen Staaten ist gemein, dass eine Trendumkehr zu bemerken war.
Ausgleich
Belgien, Frankreich, Schweden und die Schweiz konnten das Sinken der Lebenserwartung im Jahr 2020 durch eine Steigerung der Lebenserwartung im folgenden Jahr demnach weitgehend ausgleichen. Auch Italien und Spanien zeigten 2021 eine deutliche Anhebung der Lebenserwartung, haben allerdings beide in der Summe der Pandemiejahre 7,4 Monate eingebüßt. Vor allem osteuropäische Staaten, mit Ausnahme Sloweniens, hatten in beiden Pandemiejahren eine Verringerung der Lebenserwartung zu verbuchen, beispielsweise in der Slowakei um 33,1 Monate. Das trifft zwar auch auf Deutschland zu, aber in erheblich geringerem Ausmaß (5,7 Monate). In den USA sank die Lebenserwartung 2020 und 2021 um 28,2 Monate.
In Dänemark, Finnland und Norwegen änderte sich die Lebenserwartung während der Pandemie nur geringfügig. „Hier können wir die Kombination von Kampagnen sehen, die Impfstoffe schneller an mehr Menschen als im Durchschnitt der Europäischen Union lieferten, mit wirksamen nicht pharmazeutischen Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und hohen Basiskapazitäten der Gesundheitssysteme.“